Was kommt nach Locarno? Die Zukunft! Jedenfalls glaubt wieder daran, wer die kurze Rede von Elisa auf der Bühne vor der Leinwand auf der Piazza Grande gehört hat.
Da, wo sonst Filmstars applaudiert wird, begeisterte zur Vergabe des Locarno Kids Award ein Mädchen, dass sich nicht von den 8000 Menschen, die ihr gerade zuhörten, beeindrucken liess, sondern viel eher vom Atelier du Futur, das sie mit 49 anderen Jugendlichen besuchte: «Atelier bedeutet, etwas mit unseren Händen zu gestalten. Und wenn wir unsere Zukunft gestalten können: Legen wir also los!». Von Workshops rund um Ernährung, Kino und Musik erzählte Elisa mit einer Überzeugung, als wäre sie die Projektleiterin. Ihr persönlich habe der Kleiderdesign-Workshop, in dem unter anderem Roben aus recycelten Plakaten entstanden, am besten gefallen.
Kreativmaschine in lauschiger Umgebung
Das Sommercamp der Mobiliar für Jugendliche nistete sich während drei Tagen des Filmfestivals Locarno in der prunkvollen Villa San Quirico in Minusio ein. Es scheint ein guter Ort zu sein, um seine Gedanken fliegen zu lassen. Vom grosszügigen Gelände aus ist der Blick frei auf den Lago Maggiore, nebenan steht die mittelalterliche Kirche mit ihrem märchenhaften Turm.
Auf den Sitzsäcken recherchiert eine Gruppe gerade etwas zum Song, den sie gemeinsam schreiben. Das Innere der Villa haben die Jugendlichen in eine Kreativmaschine verwandelt. In einem Zimmer entstehen Stop-Motion-Filme, im Keller farbige Brote mit natürlichen Färbemitteln aus regionalen Kräutern und andere Leckereien, und im Salon im ersten Stock eben besagte Recycling-Kleider.

© Locarno Filmfestival
Was wild zusammengewürfelt klingt, basiert durchaus auf einer Struktur, wie Florian Knapp, Senior Manager Vermittlung bei der Mobiliar, erklärt: «Das Programm des Atelier du Futur basiert auf vier Themenfeldern: Umwelt, Konsum, Digitalisierung sowie Kunst und Kultur.» Darauf aufbauend sei dieses Jahr zum ersten Mal das Pilotprojekt am Locarno Filmfestival durchgeführt worden, sozusagen als Nebengleis des seit 2018 jährlich stattfindenden Sommercamps Atelier du Futur in Fiesch. «Als Hauptpartnerin des Festivals war für uns klar, dass wir unsere Kernanliegen hier noch stärker ausbauen wollen», so Knapp weiter.
Die Zukunft der Cinephilie
Mit Stop-Motion-Filmen ist der Bezug zum Festival aber noch nicht getan. Dafür hat Mara Manzolini, Projektleiterin des Atelier du Futur von Seiten des Filmfestivals, gesorgt. «Jeden Tag schauen die Kinder sich einen Film aus dem Programm an, der für ihre Altersgruppe vorgesehen ist». Das Highlight sei das Treffen mit der Preisträgerin des Locarno Kids Award Gitanjali Rao gewesen, der unter anderem die eingangs erwähnte, redegewandte Elisa auf der Piazza Grande ihren Preis übergeben durfte.

© Locarno Filmfestival
Und was uns besonders interessiert: Für viele Jugendliche bedeutete ihre Teilnahme an den Workshops auch eine Weiterbildung in Sachen Cinephilie. «Es sind ja nicht nur die Filme, die interessant sind, sondern vor allem die Leute, die sie machen», sagt etwa Sean, Teilnehmer des Ateliers. Dass das Festival für die Jugendlichen in vielerlei Hinsicht eine Entdeckung war, bestätigt auch Manzolini: «Für die meisten Kinder war es etwa das erste Mal, dass sie einen Film in Originalsprache mit Untertiteln gesehen haben.»
Einen expliziten, thematischen Bezug zwischen den Filmen am Festival und den Workshops gab es in dieser Pilotausgabe noch keinen. Die Verbindung liegt jedoch nahe, schliesslich steht hinter beiden Programmen die Mobiliar als Partnerin. In welcher Form das Atelier du Futur nach Locarno zurückkehren wird, wird eben diese, die Zukunft, zeigen. Den künftigen Besucher:innenzahlen des Filmfestivals würde eine neue Generation Filmbegeisterter jedenfalls nur dienen.