Woody Allen: Standup-Comedian, Drehbuchautor, Stückeschreiber, Filmregisseur, Schauspieler, Lebenskünstler, Philosoph, Jazz-Klarinettist, New Yorker. Jedes Jahr dreht er einen neuen Film, und das nun schon seit über vier Jahrzehnten. Das macht Allen nicht nur zu einem der beständigsten, sondern auch zu einem der grössten noch lebenden Filmemacher Amerikas, von seiner Bedeutung als Komiker, der absurde Alltagsbegebenheiten mit vielschichtiger, meist neurotischer Nachdenklichkeit verbindet, ganz zu schweigen. Nun hat Robert B. Weide einen Dokumentarfilm inszeniert, der Leben und Werk des 76-Jährigen nachzeichnet. Dabei spannt er den Bogen von Allens Kindheit in Brooklyn bis zur Cannes-Premiere seines kommerziell erfolgreichsten Films Midnight In Paris im letzten Jahr. Weide durfte Allen zwei Jahre lang begleiten. Er lässt sich von ihm zu dem kleinen Geburtshaus oder auf einen Schulhof führen, wo er nur knapp der Attacke eines jähzornigen Mitschülers entging. Fotos zeugen von einer jüdischen Grossfamilie, in der immer etwas los war, in der er nie allein war. Dass Allen ein schlechter Schüler war, weiss man aus den komischen Rückblenden in Annie Hall. Die Dokumentation ist deshalb immer dann – besonders für Kenner des Allenschen Werks – am interessantesten, wenn es unbekannte Fakten oder seltenes Filmmaterial zu sehen gibt: Allens Anfänge, noch zu Schulzeiten, als Gagschreiber für eine Zeitungskolumne, erste Auftritte als schüchterner Standup-Comedian in den Cafés von Greenwich Village, später in wichtigen Nachtclubs, schliesslich Gast in TV-Talk-Shows und Sidekick bei Dick Cavett. 1965 dann, mit dem Drehbuch zu What’s New, Pussycat?, Allens Einstieg ins Filmgeschäft. Von nun hangelt sich Weide chronologisch an den Filmen entlang bis zur Gegenwart. Dabei kommen Weggefährten, Kollegen, Schauspieler und Mitarbeiter wie Diane Keaton, Dianne Wiest, Martin Scorsese, Gordon Willis oder Allen-Biograph Eric Lax zu Wort. Doch nicht alles, was sie sagen, ist erhellend, nicht alles, was sie sagen, ist neu. Da die Filme bis auf Hollywood Ending auch alle nach Europa kamen, sind die Diskussionen über Qualität und Kategorisierungen – Slapstick oder Sophistication, Komödie oder Drama, Selbstbespiegelung oder Originalität – bereits geführt, und so bestätigt diese Dokumentation nur das Wissen über Allen.
Allen lässt Weide in sein Schlafzimmer. Aus einer Schublade fördert er eine heillose Zettelwirtschaft mit handschriftlich notierten Ideen zutage, die später an einer deutschen Schreibmaschine, wegen ihrer vierzig Jahre überdauernden Robustheit auch als «Panzer» bezeichnet, zu einem Drehbuch ausformuliert werden. Spannend auch Allens Geständnisse, dass er für zweite Takes weder die Geduld noch die Konzentration aufbringe. Er lässt seine Schauspieler einfach machen, die sich wiederum ein wenig mehr Orientierung und Feedback wünschten. Doch der Erfolg gibt Allen recht.
Weides Film ist auch immer von Verehrung für den grossen Regisseur getragen. Misslungene oder oberflächliche Filme, vor allem zu Beginn dieses Jahrtausends, lässt die Schnittfassung für das Kino (der Film lief innerhalb der «American Masters»-Reihe auf dem TV-Sender PBS in einer zweiteiligen Fassung von drei Stunden) einfach weg, den Skandal um Mia Farrow und ihre Adoptivtochter Soon-Yi Previn streift er nur kurz und löst ihn nur unbefriedigend auf. Die Folge: Der Zuschauer lernt Allen als Privatmann, als Persönlichkeit kaum kennen, nicht einmal seine Leidenschaft als Klarinettist findet ausführliche Erwähnung, obwohl Allen sogar in Europa Tourneen gab. «Er hat nie eine Bitte abgelehnt oder eine Frage unbeantwortet gelassen», sagt Weide. Aus der Kinofassung wird dies allerdings nicht deutlich.