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Wiener Dog

Mit skurriler Traurigkeit erzählt Todd Solondz in seinem neusten Werk eine Geschichte aus der Perspektive eines Hundes. Dieser wechselt dabei von einem sonderbaren Besitzer zum nächsten und beeinflusst als stummer Zeuge deren Leben. Eine Komödie der Verzweiflung. 

Text: Wolfgang Nierlin / 31. Aug. 2016

Vier Episoden und eine ironische Werbepause strukturieren Todd Solondz‘ neuen Film Wiener Dog, den der US-amerikanische Filmemacher als «Komödie der Verzweiflung» versteht: Ähnlich dem Esel in Robert Bressons berühmtem Au hasard Balthazar setzt der titelgebende Dackel die Handlung in Bewegung und verbindet lose die einzelnen Teile, indem er unfreiwillig seine Besitzer wechselt. Dabei ist er einerseits Mitspieler und stummer Zeuge der jeweiligen Handlung; andererseits spiegeln die Stationen seines Hundelebens wesentliche Phasen der menschlichen Existenz. Wobei Solondz‘ ebenso abgründiger wie menschlicher Blick immer wieder den Horizont der Vergänglichkeit durchmisst. Der Tod ist gewissermassen ein ständiger Begleiter seiner gnadenlosen Beobachtung menschlichen Tuns, von dem Solondz mit kühler, verstörend sachlicher Lakonie erzählt; und das wie in seinen früheren Filmen in all seiner skurrilen Traurigkeit erscheint.

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In der ersten Episode ist «Wiener Dog» ein Geschenk für den kleinen Remi (Keaton Nigel Cooke), der sich gerade von einer schweren Krankheit erholt. Von der verglasten Box eines Tierheims in einen Hundekäfig versetzt, fristet der niedliche Dackel zunächst die Existenz eines Gefangenen, dessen sehnsüchtiger Blick zum Himmel geht. Umgeben von einem grosszügigen Wohlstandsambiente im Grünen, lebt das Tier im Keller und soll nach dem Willen von Remis Eltern zunächst stubenrein werden, also einen Zivilisationsprozess durchlaufen, wozu auch seine Kastration gehört. Mutter Dina (Julie Delpy) erfindet zur Besänftigung des sensiblen, stets neugierig fragenden Jungen allerlei abschreckende Hunde-Horrorgeschichten, deren bizarre Drastik ihre Wirkung mit provozierendem Understatement entfaltet. Das bewahrt den aufgeräumten Haushalt allerdings nicht vor anarchischen Ausschweifungen, sobald die Eltern in ihrem Yoga-Kurs sind. Todd Solondz feiert diese kurze Phase der Freiheit in Zeitlupe. Der sanfte Flug von Daunenfedern wird schliesslich abgelöst von einer Kamerafahrt entlang einer schier endlosen Fäkalienspur. Unterlegt mit Claude Debussys «Clair de lune», entsteht so ein merkwürdig starker Moment poetischer Überhöhung.

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Die Endlichkeit ist dieser Sequenz eingeschrieben. Die übermässigen Ausscheidungen und der Verlust der Lebenskraft führen den tierischen Titelhelden schliesslich in die Arme der Tierarzthelferin Dawn (Greta Gerwig), die ihn vor der Einschläferung bewahrt und «Wiener Dog» in «Kacka» umtauft. Zusammen mit ihrem früheren Klassenkameraden Brandon (Kieran Culkin), einem schwerfälligen Drogensüchtigen, begibt sich die linkische Frau schliesslich auf einen zunächst unbestimmten Trip. Zeitweise von drei traurigen Mexikanern begleitet, die sich im fremden Land einsam, verzweifelt und bedrückt fühlen, spiegelt sich darin eine Sehnsucht nach Liebe als letzter Halt in einer von Gott verlassenen Welt.

Auch der erfolglose Drehbuchautor Dave Schmerz (Danny DeVito), der als Dozent von seinen Filmstudenten verhöhnt wird, ist eine typische Solondz-Figur von trauriger Gestalt. Darin ähnelt er übrigens seinem jetzt namenlosen vierbeinigen Begleiter. Für seinen Arzt ist der untersetzte, übergewichtige Mann, der sich sportlichen Aktivitäten verweigert, eine «tickende Zeitbombe»; was der gedemütigte und lebensmüde Schmerz schliesslich fast wörtlich nimmt. Das führt in direkter Linie zur letzten Episode des Films, in der eine alte, gebrechliche und verbitterte Frau namens Nana (Ellen Burstyn) mit den versäumten Möglichkeiten ihres Lebens, ihren «anderen Dus» in Kindergestalt, konfrontiert wird. Der Dackel heisst jetzt «Tumor», weil dieser Name sich für sie, so die Alte, «richtig anfühlt», und hat nicht mehr lange zu leben. Fatalismus und blinder Zufall flankieren das Schicksal des tierischen Protagonisten und das Scheitern seiner menschlichen Begleiter, die sich im Klammergriff des Irdischen winden. Zumindest dem «Wiener Dog» ist allerdings eine Art Transzendenz beschieden: Er darf sechs Monate später im Himmel der Kunst weiterleben.

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