«Eltern sein, das ist das wahre Leben!», schwärmt das beste Freundespaar Josh und Cornelia vor, was denen ein eher gequältes Lächeln entlockt. Bei ihnen hat es mit der Elternschaft nicht geklappt, damit haben sie sich abgefunden. Immerhin setzt das Treffen mit den frischgebackenen Eltern doch ein kurzzeitiges Nachdenken darüber in Gang, was sie denn stattdessen haben: «Freiheit» – etwa die, «morgen nach Paris fliegen zu können». Aber dabei müssen sie sich natürlich eingestehen: «Wir brauchen mindestens einen Monat Vorlauf.»
Josh und Cornelia, Mitte vierzig, hätten schon Grund, darüber nachzudenken, was sie wollen und was sie erreicht haben. Cornelia arbeitet für ihren Vater Leslie Breitbart, einen renommierten Dokumentarfilmer – aber nicht für ihren Ehemann Josh, der ebenfalls Dokumentarfilmer ist. Mit einem frühen Film hatte er Erfolg, doch seitdem arbeitet er am Nachfolgewerk, seit mittlerweile acht Jahren. Er spricht von den Erwartungen der Öffentlichkeit, aber es ist doch wohl eher seine Zögerlichkeit, die die Fertigstellung verhindert. Sein Schwiegervater jedenfalls hat sein Urteil bereits gefällt: «Ein Sechseinhalb-Stunden-Film, der sieben Stunden zu lang ist.» Die Pointen des Films seien mit Stacheldraht umwickelt, hiess es in einer amerikanischen Kritik.
Nachdem ihre besten Freunde nun also im Elternglück aufgehen, könnten Josh und Cornelia dringend neue Freunde gebrauchen. Die lassen nicht lange auf sich warten: Nach einer Universitätsvorlesung (mit der Josh sein Geld verdient) wird er von Jamie angesprochen, der sich als Fan seines früheren Films zu erkennen gibt. Dass er den nach längerer Suche als VHS-Kassette gefunden habe, imponiert Josh selbstredend. Auch was Jamie und seine Ehefrau Darby sonst auszeichnet, nötigt ihm Bewunderung ab: Es erinnert ihn und Cornelia, die – zunächst skeptisch – sich schliesslich anstecken lässt, an ihr eigenes Jungsein. Darby verkauft selbstgemachte Bio-Eiscrème mit ungewöhnlichen Geschmacksnoten, Jamie ist ebenfalls Dokumentarist, sie bewegen sich in New York auf Fahrrädern fort, hören Musik von Schallplatten und sehen Filme auf Videokassetten – auf Facebook sind sie auch nicht zu finden. Realisiert sich hier eine neue Bescheidenheit, der Traum vom authentischen Leben, zumindest ein Stück weit? Jedenfalls trägt Josh plötzlich einen Hut wie Jamie und kauft sich ein Fahrrad, während Cornelia sich von Darby in einen Hip-Hop-Tanzkurs mitschleppen lässt. Später schliessen sie sich den beiden sogar für ein bewusstseinserweiterndes Wochenendseminar bei einem Guru an. «Gefühlt Mitte zwanzig» (so der deutsche Verleihtitel des Films) sind sie jetzt. Josh schöpft daraus auch neue Energie für seinen Film, bei dem ihm Jamie zudem seine Mitarbeit anbietet. Aber daraus erwächst dann auch das Drama.
Kreiste Noah Baumbachs Frances Ha um eine deutlich jüngere Protagonistin, was wohl auch dem Einfluss seiner Hauptdarstellerin / Koautorin / Muse / Partnerin Greta Gerwig zu verdanken war, nimmt er mit (dem allein geschriebenen) While We’re Young die Konfrontation von Jung und Alt aus Greenberg wieder auf. War damals die Begegnung mit einer jungen, chaotischen Frau (Gerwig) für den misanthropischen Sonderling (Ben Stiller) ein uneingeschränkt positives, wenn auch herausforderndes Ereignis, so geht es im neuen Film um die Ambivalenzen dieses Generationenkonflikts. Scharfsinnig und zugeneigt ist auch diesmal Baumbachs Blick auf seine Protagonisten, allerdings spielen die beiden Frauen hier eindeutig die zweite Geige. Letztlich bestimmt Joshs Perspektive die Geschichte, allerdings stellt der Film am Ende auch eine gewisse Distanz zu der Figur her, um zu zeigen, dass man den Sachverhalt vielleicht auch anders beurteilen könnte. Der Sachverhalt, das ist das Verhalten von Jamie, der schliesslich seinen eigenen Dokumentarfilm fertigstellt – mit nicht immer ganz sauberen Mitteln. Dabei bleibt Jamie in gewisser Weise ein rätselhafter Charakter: Hat er sich von Anfang an zielstrebig bei Josh eingeschmeichelt, um von dessen Erfahrung profitieren zu können? Ist er damit eine ähnlich intrigante Figur, wie sie Anne Baxter in All About Eve verkörperte? Oder sind das die falschen Kategorien (nämlich die von Josh), mit denen man Jamies Generation gar nicht fassen kann? Man kann wohl davon ausgehen, dass sich Baumbach diese Fragen selber stellt, auch wenn er Spiel- und keine Dokumentarfilme dreht. Welche Rolle nimmt der klassische, sich selbst und der Öffentlichkeit verantwortliche Künstler in einem Zeitalter ein, das postuliert, der Begriff des geistigen Eigentums sei obsolet geworden, es spiele keine Rolle, dass man sich bei bereits Vorhandenem, den Arbeiten anderer freimütig bedient, sondern es zähle nur das, was dabei herauskomme? Die Authentizität eines Dokumentarfilms müsse sich also nicht mehr länger in seiner Herstellungsweise niederschlagen?
Dass die Konfrontation schliesslich in aller Öffentlichkeit stattfindet, nämlich bei einer Zeremonie, die das Lebenswerk seines Schwiegervaters ehrt, macht das Ganze umso schmerzhafter für Josh, zumal Leslie mit einem achselzuckenden «So what?» auf die Enthüllung reagiert. Cornelia summiert hinterher, dass Jamie zwar ein «Arschloch» sei, konzediert aber im selben Satz, sein Film sei «ziemlich gut». Das ist zwar noch nicht das Ende von While We’re Young, aber doch die Frage, mit der der Zuschauer entlassen wird.