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What will people say 2

What Will People Say

Iram Haq erzählt eine autobiografische Coming-of-Age-Geschichte: Nisha ist zwischen der norwegischen und der pakistanischen Kultur ihrer Eltern gefangen. Einen Ausweg scheint es nicht zu geben.

Text: Tereza Fischer / 24. Juli 2018

In ihrem zweiten Spielfilm erzählt die in Norwegen aufgewachsene Pakistanerin Iram Haq ihre eigene Geschichte: Mit vierzehn Jahren wurde sie von ihren Eltern für eineinhalb Jahre nach Pakistan gebracht, zur «Umerziehung». Das Gleiche widerfährt in What Will People Say auch Nisha, einer in der norwegischen Gesellschaft integrierten Teenagerin. Bei ihr zu Hause herrschen andere Sitten. Das zeigt sich in der Wohnungseinrichtung, die im Gegensatz zum nordisch-sachlichen Stil oppulent erscheint, viel mehr aber am Verhalten der Eltern, die ihre Kultur mit allen Mitteln verteidigen.

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Wenn der Vater in der ersten Sequenz spät­abends die Lichter löscht und liebevoll die schlafenden Kinder zudeckt, dann äussern sich darin sowohl Fürsorge als auch Kontrolle. Nisha schafft es in dieser Nacht nur ganz knapp, vom verbotenen Disco-Ausflug rechtzeitig vor dem väterlichen Kontrollgang zurück zu sein. Während der grosse Bruder nur an seine Karriere denkt und die kleine Schwester für Rebellion noch zu klein ist, will Nisha wie ihre Freundinnen leben. Als sie eines Abends aus Übermut einen Jungen in ihr Zimmer schmuggelt und erwischt wird, muss sie schmerzlich erfahren, dass es nicht möglich ist, individuelle Freiheit und familiäre Bindungen zusammenzubringen. Des Vaters Fürsorge schlägt in Wut und Hass um. Von da an ändert sich Nishas Leben radikal: Der Vater kidnappt sie und bringt sie zu seiner Schwester nach Pakistan. Erst versucht Nisha, sich aufzulehnen und sogar zu fliehen, doch aus dem Labyrinth von engen Gassen der fremden Stadt – und im übertragenen Sinn der fremden Kultur –
gibt es keinen Ausweg: Sie muss sich anpassen.

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Iram Haq erzählt dies beinahe hastig; sie lässt uns wenig Zeit, uns in all die neuen Situationen einzufühlen. Das fällt vor allem dann auf, wenn Nishas Emotionen nur angedeutet bleiben, etwa als sie sich in ihren Cousin verliebt und Pakistan für einen Augenblick nicht mehr als Gefängnis erscheint. Die Szenen zwischen den beiden sind jedoch nur kurz und wirken beinahe abgewürgt – fast als hätte die Regisseurin Angst vor zu emotionalen Szenen gehabt. Das unmittelbar drauffolgende Unglück, die Erniedrigung durch korrupte Polizisten, die das junge Paar beim Küssen erwischen, und die Verbannung aus der Familie der Tante hätten dann freilich noch brutaler gewirkt.

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Iram Haq ist um Differenzierung bemüht: Sie will auch Verständnis für ihre Eltern vermitteln. Das gelingt ihr nur ansatzweise, denn die Figuren sind zu eindimensional angelegt. Die Mutter sorgt sich einzig darum, was die Familie und die pakistanische Gemeinschaft in Norwegen über die ungehorsame Tochter sagen würden – daher auch der Filmtitel. Sie ist wie alle anderen Frauenfiguren eine, die ein perfides und frauenverachtendes System am Leben erhält. Dies fängt Iram Haq sehr schön in einem einzigen Bild ein: Nisha, die schliesslich auch noch per Skype zwangsverlobt werden soll, wird auf dem Sofa vor dem Laptop zwischen ihre Mutter und die Schwiegermutter in spe eingeklemmt. Wie zwei Gefängniswärterinnen nehmen sie sie in die Mitte, von wo es kein Entrinnen gibt.
Den Vater zeichnet die Regisseurin etwas komplexer. So ist er nach dem «Fehlverhalten» seiner Tochter in Pakistan zwar derart verzweifelt, dass er sie tot sehen will, aber im letzten Augenblick erbarmt er sich ihrer. Er scheint hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, seinen Kindern eine gute Ausbildung zu bieten, und der Angst um die Ehre der Familie. Ihm wird auch die letzte Einstellung gewidmet, die andeutet, dass er die Ausbildung höher gewichtet und Nishas Flucht am Ende deshalb billigt – nach der Heirat hätte sie nämlich nicht arbeiten dürfen.

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In I Am Yours (2015) hatte Iram Haq bereits von einer Frau zwischen den Kulturen erzählt und ein differenziertes Porträt einer alleinerziehenden Mutter gezeichnet. What Will People Say ist engagiert, aber leider etwas oberflächlich. Der Belgier Stephan Streker hat mit [art:1244] (2017) die Zerrissenheit der pakistanischen Immigrant_innen anhand einer ähnlichen Geschichte nachvollziehbarer gestaltet. Dass nicht nur Frauen von den Auswirkungen der kulturellen Differenzen betroffen sind, zeigt The Boy with the Topknot (2017). Die Filme sind wichtige Beiträge zum Verständnis dieses besonderen Migrationsproblems: Wie lässt sich der Wunsch von Migrant_innen, den eigenen Kindern eine bessere Zukunft in einem Land voller Möglichkeiten zu bieten, damit vereinbaren, dass man das westliche Prinzip der individuellen Freiheit ablehnt?

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 5/2018 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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