Wann? Ich kann mich an kein Jahr erinnern …» – «Ich glaube, man nimmt an im vierzehnten Jahrhundert.» – «Das vierzehnte Jahrhundert war doch erst kürzlich, da regierten die Moguln, und Babar war in Indien.» – «Na gut, dann halt im elften.» – «Nein, definitiv vor Christus und ich glaube in Ayodhya, wo Rama geboren ist. Das weiss ich, weil sie dort den Tempel geschleift haben.» – «Man sagt, Rama sei dort geboren. Nicht, dass ich das glaube, aber man erzählt es sich so.» – «Und Ayodhya liegt in Uttar Pradesh, also muss die Geschichte wahr sein.» – «Wahrscheinlich so wahr wie die Geschichten der Bibel.»
So diskutieren die drei Erzähler von Sita Sings the Blues über «Indien, vor langer Zeit», einem simplen Zwischentitel, einer zu vagen Orts- und Zeitangabe. Was nach einstudiertem Chaos klingt, ist in Wirklichkeit eine quasi-dokumentarische Tonaufnahme: Eine Frau und zwei Männer – im Film als polynesische Schattenmarionetten dargestellt – versuchen, die Liebesgeschichte von Rama und Sita nachzuerzählen – unvorbereitet und in zeitgenössischer Sprache. Aufgewachsen in verschiedenen Regionen Indiens, sind sie seit früher Kindheit mit dem hinduistischen Epos «Ramayana» vertraut – nur eben, wie bei primär mündlich überlieferten Geschichten üblich, mit unterschiedlichen Versionen. Immer wieder geraten die drei deshalb ins Diskutieren, was dem Film viel Unmittelbarkeit und dank der gelungenen visuellen Umsetzung auch den nötigen Humor verleiht. Antike Tragödie und moderne Komödie liegen hier ganz nahe beieinander.
Die eigentliche Rahmengeschichte beginnt jedoch im San Francisco unserer Tage und handelt vom Zeichner-Ehepaar Nina und Dave, das sich mit der Katze Lexi eine Wohnung teilt. Eines Tages nimmt Dave eine Temporärstelle in Indien an. Nina bleibt vorerst zu Hause und vermisst Dave sehr. Als dessen Vertrag in Indien verlängert wird, folgt sie ihm nach, allerdings nicht ohne vorher für Lexi ein geeignetes Plätzchen zu finden. Während Nina für einige Tage beruflich in New York weilt, beendet Dave per E-Mail ihre Ehe. In einer Spirale von Selbstmitleid versinkend versucht Nina lange, Dave mit allen Mitteln zurückzugewinnen. Endlich wagt sie in New York City einen Neuanfang, indem sie ihren Trennungsschmerz in einem an das Ramayana angelehnten Film verarbeitet. So weit, so unspektakulär, hätte Nina nicht die Stimme von Nina Paley, der Autorin des Films, die hier in wackeligen Strichzeichnungen skizzenhaft einen Abschnitt ihrer Lebensgeschichte vor uns ausbreitet.
Das Ramayana hat Paley in Indien kennengelernt, nachdem sie 2002 ihrem Ehemann dorthin gefolgt war. Besonders Sita, eine menschliche Inkarnation der Lotusgöttin Lakshmi, hatte es ihr angetan. Zum Beweis der Treue gegenüber ihrem abweisenden Ehemann Rama – als Inkarnation des Gottes Vishnu gerne mit blauer Haut dargestellt – beging Sita Selbstmord. Ursprünglich wollte die angestammte Comic-Strip-Zeichnerin Paley der Geschichte in einer postfeministischen Variante ein neues Ende verpassen. Doch als sie unmittelbar nach der Trennung bei Freunden in New York unterkam, entdeckte sie mehrere 78-Touren-Schellackplatten mit Aufnahmen der weissen Jazz-Sängerin Annette Hanshaw aus den zwanziger Jahren. Diese Lieder über Frauen, die von ihren Liebhabern vernachlässigt oder verlassen worden sind, sprachen ihr aus der Seele. Sofort verbanden sich in ihrer Vorstellung diese Aufnahmen mit der Geschichte Sitas zu einem stimmigen Ganzen. Vorerst resultierte daraus der swingende Musikclip Trial by Fire zu Hanshaws Aufnahme von «Mean To Me», jenem Song, der Paleys Seelenzustand am besten zum Ausdruck brachte.
Erst im Alter von dreissig Jahren autodidaktisch zur Animation gekommen, machte sich die 1968 geborene Zeichnerin auf internationalen Festivals schnell einen Namen mit kritisch-unterhaltsamen Kurzfilmen. Fetch, ihr bislang längster Film, war nur gerade viereinhalb Minuten lang, als sie sich 2004 entschied, Trial by Fire zu einem abendfüllenden Langfilm auszubauen.
Im Rückblick wirken die zehn vorher entstandenen Kurzfilme wie Versuchsfelder für die bei Sita Sings the Blues zum Einsatz kommenden Techniken. Bevor Paley 2001 komplett digital zu arbeiten begann, hatte sie von der Super-8-Plastilin-Animation bis zum direkten Zeichnen und Kratzen auf 70mm-IMAX-Film sämtliche Techniken und Filmformate durchprobiert. Diese Erfahrung mit vielfältigen Animationsstilen ermöglichte ihr nun, mühelos die verschiedenen Erzählebenen von Sita Sings the Blues visuell voneinander zu trennen.
Im Kontrast zu ihrer skizzenhaften Lebensgeschichte hat Paley die drei Ramayana-Erzählebenen grösstenteils im Cut-out-Stil, einer computerunterstützen Variante des klassischen Legetricks, animiert. Entsprechend der Mehrstimmigkeit des nicht eben zuverlässigen «griechischen Chors» aus Schattenmarionetten sind hier die Protagonisten aus vorgefundenen Illustrationsschnippseln zusammengebastelt.
Diese Metaebene wird immer wieder unterbrochen von betont steifen Spielszenen, deren in Wasserfarben gemalte Figuren nur sehr primitiv animiert sind. Ohne Anspruch, dass dies vom westlichen Publikum verstanden wird, parodiert Paley mit diesen Szenen eine Realfilm-Fernsehserie von 1986, die so flächendeckenden Erfolg hatte, dass deren Version des Ramayana seither den meisten Indern als “Originalfassung” gilt. Mit starren Posen, viel Theaterschminke und gewöhnungsbedürftigen Spezialeffekten wird über neununddreissig Stunden lang Ramas Leben in endlosen Dialogen und Gesängen nacherzählt. Wie es sich für eine gute Parodie gehört, funktionieren die von indisch-amerikanischen Secondos rezitierten ironischen Dialoge aber auch ohne dieses Hintergrundwissen.
Das emotionale Rückgrat von Sita Sings the Blues bilden zweifellos die Musikeinlagen, die den Film in die Nähe eines Bollywood-Musicals mit Ouvertüre und Pausenmusik rücken. In einer Welt aus klaren Formen und glatten Oberflächen singt Sita mit der Stimme Annette Hanshaws, während um sie herum geliebt, getanzt, geraubt und gemordet wird, dass es eine wahre Freude ist. Die Gegenüberstellung von Jazzrhythmen, neuzeitlichen Texten und swingender Animation bildet einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Dazu kommt, dass Hanshaws in Vergessenheit geratene Interpretationen von Standards aus dem Great American Songbook noch immer unglaublich frisch klingen.
Sita erinnert in diesen Clips auf Anhieb an Betty Boop, jene frühe Cartoon Heldin, die um 1930 wegen ihrer lasziven Bewegungen und Formen zum Inbegriff der Erwachsenenunterhaltung wurde. Abgesehen davon, dass Sita aus ähnlichen Grundformen aufgebaut ist wie Betty, weist sie vor allem der Gesang als deren Erbin aus. Bevor Betty im Zuge der Selbstzensur der amerikanischen Filmindustrie 1934 zum züchtigen Dummchen degenerierte, begründete sie den Ruf der New Yorker Fleischer-Studios als örtlicher wie inhaltlicher Gegenpol zur damals von Walt Disney dominierten Westküstenszene. Max und Dave Fleischer nutzten ihre Cartoons gerne als Vehikel für Jazzgrössen wie Louis Armstrong und immer wieder Cab Calloway, dessen Version des «St. James Infirmary’s Blues» mit Betty Boop als Snow White (1933) auf Festivals noch heute gerne gespielt wird.
Schliesslich war der Trickfilm der ausgehenden zwanziger Jahre noch nicht von den Erfolgen Disneys dazu verleitet worden, das Leben zu imitieren, sondern schwelgte in den ihm eigenen Ausdrucksmöglichkeiten. Auch wenn der Cut-out-Animationsstil von Sita Sings the Blues sich grundlegend vom klassischen Zeichentrick unterscheidet, ist der anarchische Geist jener Filme gegenwärtig. Da gerät das ganze Setting ins Tanzen: Palmen, Mond und Sterne wippen rhythmisch mit, immer wieder drängen musizierende Figuren ins Bild.
Obwohl die einzelnen Musikclips im Stil von Trial by Fire als eigene Kurzfilme funktionieren, gerät Sita Sings the Blues nicht zur blossen Nummernrevue, wie das bei episodischen Filmen, denen der grosse Bogen fehlt, häufig der Fall ist. An die fragmentierte Erzählstruktur gewöhnt man sich schnell, weil die im Grunde recht einfache Geschichte auf allen Ebenen mehr oder weniger chronologisch vorangetrieben wird. Einmal verschmelzen die vier Ebenen visuell gar zu einer einzigen rauschhaften Szene. In einem frenetischen Ausdruckstanz überlagern sich Nina und Sita zu einer von Feuer umgebenen Silhouette.
Es mag vermessen klingen, den eigenen Trennungsschmerz mit demjenigen einer Gottheit zu vergleichen, doch Paley umschifft die Klippen der Sentimentalität mühelos mit Ironie und Selbstkritik. Sie sucht in der mythologischen Erzählung nach Antworten auf die Frage, warum sie einem Mann nachtrauert, der sie scheinbar grundlos schlecht behandelt hat. Während die Beweggründe für Ramas abweisende Haltung vom Erzählertrio diskutiert werden, bleibt Daves Motivation ungeklärt. Die Autorin erspart uns die tiefere Auseinandersetzung zugunsten einer visuellen tour de force.
Es verwundert nicht, dass Nina Paley in der New Yorker Animationsszene Fuss gefasst hat. Während in Südkalifornien seit jeher das solide Handwerk perfektioniert wird, sammelte sich im urbanen New York schon immer die Avantgarde. Jenseits der Fernsehstudios aber war die Szene der unabhängigen Animatoren jahrelang stark zersplittert. Erst als sich 2003 zwölf Animatoren (darunter auch Nina Paley) zusammentaten, um die DVDs Avoid Eye Contact Volume 1 und Volume 2 herauszubringen, begannen sich viele New Yorker Autoren überhaupt erstmals als loses Kollektiv wahrzunehmen.
Im gegenwärtigen Sita Sings the Blues-Fieber wird gerne übersehen, dass es in den letzten Jahren an der Ostküste immer wieder abendfüllende Autorentrickfilme, vorwiegend von Einzelkämpfern, gegeben hat. Bill Plympton etwa, die Ikone des Independent-Zeichentricks, hat bis heute fünf Langfilme realisiert. Er galt 1979 als erste Person, die jemals einen Langfilm komplett alleine gezeichnet hat. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass alleinige Autorschaft sich normalerweise ausschliesslich auf das Bild bezieht. Oftmals wird erst im Abspann sichtbar, wieviele Mitarbeiter an Tonspur und Postproduktion beteiligt waren.
Anders als Nina Paley, die ihren Film nur dank computerunterstützter Animationstechniken innerhalb von fünf Jahren fertigstellen konnte, zeichnet Plympton seine Figuren noch immer Bild für Bild von Hand. Zwischen umjubelten Festivalauftritten hält er seine Fans per Internet bei Laune. Seit Hair High (2004) hat er über seinem Zeichentisch eine live-webcam installiert. So konnte man auch die Entstehung von Idiots and Angels, seines jüngsten, zeitgleich mit Sita Sings the Blues entstandenen Films, im Netz mitverfolgen, ein making of in Echtzeit sozusagen.
Während Idiots and Angels ohne Dialog auskommt, musste Nina Paley den grössten Teil von Sita Sings the Blues lippensynchron animieren. Dieser Aufwand wäre für eine Einzelperson unmöglich zu bewältigen, gäbe es nicht Computerprogramme wie Flash, die diesen Arbeitsschritt mit Hilfe von mehrfach verwendbaren Mundstellungen vereinfachen. Allein schon aus diesem Grund kam für den grössten Teil des Films nur computerunterstützter Legetrick in Frage. Bei dieser Technik werden in einer ersten Phase aus gezeichneten Elementen zweidimensionale digitale Marionetten gebaut, die anschliessend beliebig im Computer bewegt werden können. Für die Animation ist nach wie vor der Mensch zuständig, der Computer errechnet lediglich die fehlenden Bilder zwischen den einzelnen Posen.
Die so erzielten Bewegungsabläufe mögen einfach aussehen, der Reiz der Bilder liegt jedoch in der Fülle an Details, die zum Teil nur dank Greg Sextros sorgfältigem Sound Design überhaupt in den Vordergrund treten. Paley weiss gezielt die Stärken der bei Animatoren unbeliebten Flash-Ästhetik zu ihrem Vorteil zu nutzen: Mit einfachsten Mitteln, wie beispielsweise Farbveränderungen von Hintergrundflächen, erzielt sie starke expressionistische Effekte. Der flache, streng zweidimensionale Stil hat den Vorteil, dass sich Paley mit dem Aufbruch der Perspektiven vom Realitätszwang befreien kann. Grösser werdende Figuren kommen scheinbar näher, ein Waldrand dient gleichzeitig als Bühnenvorhang. Hat sie die Möglichkeiten optischer Täuschungen durch Stilisierung im Kurzfilm Fetch (2002) noch spielerisch durchexerziert, wendet sie hier dieselben Tricks unauffällig im Dienste der Erzählung an.
Mit ihrem Mut zur Vereinfachung setzt Nina Paley eher auf Selbstreflexivität und Einfallsreichtum als auf eine kohärente Illusion. Ihre Figuren bleiben Marionetten, auch im übertragenen Sinne. Aber im Gegensatz zu Bill Plymptons skurrilen, häufig arg gestreckten Aussenseitergeschichten, die eine eingeschworene Fangemeinde ansprechen, hätte Sita Sings the Blues das Zeug zu einem veritablen Publikumserfolg, wäre die Kinoauswertung bis jetzt nicht an rechtlichen Problemen gescheitert.
Obwohl die Annette-Hanshaw-Aufnahmen aus den zwanziger Jahren mittlerweile in public domain und damit frei verfügbar sind, besteht das Urheberrecht an den den Songs zugrundeliegenden Kompositionen noch immer, weil es in Amerika möglich ist, die Urheberrechte nach der gesetzlichen Ablaufzeit rückwirkend zu verlängern. Deshalb sind auch die Synchronisationsrechte der Songs, auf denen Sita Sings the Blues basiert, weiterhin im Besitz grosser Musikkonzerne.
Wegen der damit verbundenen Legalisierungskosten hat sich bis jetzt in keinem Land ein Verleiher gefunden, obwohl der ausserordentlich unterhaltsame Film seit seiner Premiere an der letztjährigen Berlinale an Festivals rund um die Welt Auszeichnungen einheimst und bei Publikum und Presse gleichermassen Begeisterung auslöst. Jüngst setzte sich sogar der amerikanische Kritikerpapst Roger Ebert für Sita Sings the Blues ein. Das Medienecho war entsprechend gross. Doch geholfen hat das alles nichts. Während Plympton heute angeblich von den globalen Verkäufen seiner Filme leben kann, käm pft Nina Paley mit einer informativen Website noch immer für die legale Verbreitung ihres eigenen Films.
Im Wissen um allfällige rechtliche Probleme hat Paley die Songs trotzdem verwendet, weil sie sich gegen die herrschende «Erlaubnis-Kultur», die viele Kulturschaffende von der Realisierung ihrer Projekte abhält, aktiv wehren wollte. Eine erste Forderung der Rechteverwalter belief sich auf 220 000 US Dollar, eine Summe, die die Produktionskosten des Films selbst dann noch übersteigt, wenn Paleys Arbeit mitgerechnet würde. Nach zähen – und kostenintensiven – Verhandlungen konnte sie die Lizenzgebühren auf gut 50 000 US Dollar herunterdrücken, was ihre Verhandlungspartner als fast schon selbstloses Entgegenkommen werten. Um den Film wenigstens teilweise aus dem «Urheberrechts-Gefängnis» freizukaufen, hat sie ein Darlehen aufgenommen – die Zahlung soll in einem ersten Schritt die Herstellung von 4 999 DVD-Kopien ermöglichen. Paley versucht nun, mit Hilfe von online-Spenden von Fans den Kredit abzuzahlen, wie es ihr schon mit den Kosten für die 35mm Kopien für Berlin und Annecy gelungen ist.
Der Aufbau einer so treuen Anhängerschaft erfordert auch im Internetzeitalter noch einen langen Atem und die Bereitschaft zur Extrovertiertheit. Wie die meisten unabhängigen Filmemacher informiert Nina Paley in einem Blog unermüdlich über den Stand ihrer Arbeit. Doch sie geht noch einen Schritt weiter als die meisten ihrer Kollegen. Von den gegenwärtigen Verleihstrukturen enttäuscht, hat sie sich einen alternativen Verleihplan zurechtgelegt. Im Grundsatz vertritt sie die Meinung, dass sowohl das Urheberrecht als auch die Verleiher der Verbreitung von künstlerischen Inhalten eher im Weg stehen als nützen. Sie veröffentlicht ihren Film deshalb unter einer Creative Commons Share-Alike Licence, ähnlich einer Open-Source-Software-Lizenz. Damit will sie verhindern, dass jemals ein Urheberrecht auf Sita Sings the Blues geltend gemacht oder gekauft und der Film aus dem Verkehr gezogen werden kann.
Mit diesem Schritt spricht sich Paley klar für eine Remix-Erlaubnis aus, was bedeutet, dass das Publikum ihren Film nicht nur weiterverbreiten, sondern auch verändern und Teile daraus für eigene Zwecke verwenden darf. Schliesslich versteht sie ihren Film ebenfalls als Remix-Projekt, hat sie sich doch aus vorgefundenen Elementen ihre eigene Version des Ramayana zusammengebastelt. Finanzielle Besitzansprüche gibt sie damit allerdings auf. Es ist ihr weitaus wichtiger, bei der kostenlosen Verbreitung als Urheberin genannt zu werden. Das Problem,dass die Verwendung der Lieder noch immer kostenpflichtig ist, auch wenn der Rest des Films gratis verfügbar ist, bleibt allerdings.
Um trotz allem Aufführungen zu ermöglichen, beruft sie sich darauf, dass Promotionskopien keinen Rechtegebühren unterliegen, und stellt den Film seit März 2009 online in allen gängigen Formaten in bester Qualität gratis zur Verfügung. Kostenloser Inhalt sei die beste Werbung, weil sie freiwillig verbreitet werde. Überzeugt davon, dass sie so auf lange Sicht mehr Leute erreiche als an Festivals, fordert sie nichts weniger als einen Systemwechsel weg vom Copyright. Zu diesem Schritt bewogen hat sie die Einsicht, dass die Entscheidung, ins Kino zu gehen, nicht von fehlenden Alternativen abhängt, sondern von der Lust, einen Film auf einer grossen Leinwand mit anderen Leuten und – vor allem – ungeteilter Aufmerksamkeit zu geniessen. Sie strebt deshalb auch weiterhin eine Kinoauswertung an.
Veranstaltern und Herstellern von Merchandisingprodukten, die einen festgelegten Anteil des Erlöses mit ihr teilen, verleiht sie das Gütesiegel «Creator Endorsed Product». Schliesslich sind viele Fans eher bereit, etwas zu bezahlen, wenn sie wissen, dass sie damit den Künstler und nicht einen Grosskonzern unterstützen.
Das mediale Interesse an der Rechte-Debatte weiss die dadurch verschuldete und zeitweise obdachlose Paley wiederum für sich zu nutzen. Bereits hat sie einen Film zum Thema Urheberrecht angekündigt. Die Aufmerksamkeit der Fangemeinde ist ihr sicher, zumal Paley trotz der leidvollen Erfahrungen ihren entwaffnenden Humor und ihre sympathische Frische nicht verloren hat. Ihr Song «Copying isn’t theft» erfreut sich jedenfalls schon einiger Beliebtheit. Und überhaupt, was sind schon ein paar Jahre des Durchhaltens, wenn man wie Nina Paley in epischen Dimensionen denkt?