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In the Valley of Elah

Vietnamveteran Hank, der als Sergeant entlassen wurde, wird von der Einheit seines Sohnes angerufen und darüber informiert, dass Mike wegen Fahnenflucht angeklagt wird, wenn er nicht in wenigen Tagen auftaucht. Ohne mit seiner Frau Joan die Lage gross zu besprechen, fährt Hank mit seinem Truck von Tennessee los, um die Angelegenheit zu klären.

Text: Erwin Schaar / 05. März 2008

Warum schauen wir uns Filme an, die sich Begebenheiten annehmen, die durch die Berichterstattung in den Nachrichtenmedien doch bekannt sind? Filme über Kriege oder Katastrophen zum Beispiel. Es wird kaum das Verlangen nach Aufklärung sein, das die Menschen in die Kinos zieht. Meist sind die gezeigten Geschehnisse mehr die Folie für das Miterleben individueller Schicksale, die in einen zeitlich bestimmbaren historischen Rahmen eingebunden sind. Je aktueller dieser ist, desto besser kommt die Geschichte dem empathischen Bedürfnis entgegen. Das Mitfühlen oder gar Mitleiden wird an den wirklichen Schicksalen nichts verändern, kaum Hilfe zeitigen, aber die mediale Schilderung kann kathartisch wirken, die emotionale Ausgeglichenheit befördern, womit wir fast beim antiken Trauerspiel gelandet wären. Diese Einsicht kann uns trotzdem nicht der kritischen Prüfung der imaginierten und doch wieder realen Geschichten entheben, deren Wirkung auf unsere Gefühle von unseren sozialen und mitmenschlichen Qualitäten abhängt.

«Death and Dishonor» war der Titel des Artikels von Mark Boal, den er im Playboy veröffentlicht hatte: Eine detaillierte journalistische Darstellung der Ermordung eines Soldaten, der nach seiner Rückkehr vom Irak-Krieg in Fort Benning, Georgia stationiert war. Und der Drehbuchautor Paul Haggis fand darin die Idee für sein Buch und seinen Film. Haggis ist ein versierter Autor, der für Clint Eastwood die Skripts zu Million Dollar Baby (2004), Flags of our Fathers (2006) verfasst und auch bei dessen Letters from Iwo Jima (2006) mitgearbeitet hat. Bei seinem von ihm selbst inszenierten Film Crash (2004) konnte er diese Begabung erfolgreich einbringen. Auch die kommerzielle Ader lässt Haggis nicht im Stich, was er als Co-Autor beim James-Bond-Film Casino Royale (2007) und bei Quantum of Solace, dem zweiundzwanzigsten Abenteuer des Geheimagenten, der (inszeniert von Marc Forster) im Herbst anlaufen wird, zeigen konnte.

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«Ich wollte die Geschichte guter Menschen erzählen, die schreckliche Entscheidungen treffen müssen», begründet Haggis seine Wahl der Story von der Suche von Hank Deerfield nach seinem verschollenen Sohn Mike. Der ist von seinem achtzehnmonatigen Militäreinsatz im Irak zu seinem Stützpunkt in Fort Rudd, New Mexico zurückgekehrt und plötzlich verschwunden. Vietnamveteran Hank, der als Sergeant entlassen wurde, wird von der Einheit seines Sohnes angerufen und darüber informiert, dass Mike wegen Fahnenflucht angeklagt wird, wenn er nicht in wenigen Tagen auftaucht. Ohne mit seiner Frau Joan die Lage gross zu besprechen, fährt Hank mit seinem Truck von Tennessee los, um die Angelegenheit zu klären. Seine Vergangenheit als Soldat macht es ihm möglich, sich auf dem militärischen Gelände zu bewegen und Informationen einzufordern. So gelangt er auch an das Mobiltelefon seines Sohnes, auf dem kurze Tapes des kämpferischen Einsatzes im Irak gespeichert sind, die Mike und seine Kriegskameraden zeigen, wie sie mit Gefahren umgehen, um sich selbst zu schützen. Gefahren eines Krieges, der alle moralischen Massstäbe des zivilisierten Lebens ausser Kraft setzt. Haggis kündigt diese Illustrationen aus der Hölle, die sich Hank wieder und wieder vorspielt, um Aufschluss über das Geschehen um das Verschwinden seines Sohne zu bekommen, immer mit dem Zeichen «Downloading File» an, was wie eine Warnung vor den Bildern mit den aggressiven Farben wirkt. Wir werfen verbotene Blicke in eine Hieronymus-Bosch-Welt, die sich mit Wertbegriffen wie Heldentum, Vaterland oder Disziplin zu tarnen versucht. Manchmal wird man stutzig, warum Hank, der von einem überaus grossartigen Tommy Lee Jones verkörpert wird, das patriotische Ehrgefühl nicht verloren und aus Vietnam nicht gelernt hat, dass Kriege vernichtend sind. Er muss doch ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Es kann ihm doch nicht erst der Irak-Krieg ein Licht aufsetzen. Aber sein unkompliziertes Denken, seine tadellose korrekte Haltung gegenüber anderen Menschen mögen der Psyche derjenigen entsprechen, die Grausames gesehen haben, nicht darüber sprechen wollen, im zivilen Leben unaufgeregt handeln, ihr Vaterland achten. Tommy Lee Jones gibt einer solchen Figur eine solche überzeugende Lebenskraft und spielt mit einer Natürlichkeit, dass man diesen Hank fast als dokumentarisch betrachten möchte. Er muss erleben, dass sein Sohn in Stücke zerhackt und verbrannt aufgefunden wird, und er beginnt mit Hilfe von Detective Emile Sanders nach den Tätern zu forschen. Sanders muss mit ignoranten, auf sexistische Witze erpichten Kollegen auskommen, die wenig Lust verspüren, den Fall aufzuklären, weil ihrer Meinung und Beweisführung nach dies Sache der Militärbehörden sei. Auch Sanders spürt zuerst wenig Lust, sich dieses Verbrechens anzunehmen, wird aber von Hank darauf aufmerksam gemacht, dass Mike «has been bringing democracy to a shithole» und dass ihre Bemühungen daher wohl mehr als angebracht wären.

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Aus dem Kriegsgeschehen entlassen, wird es für viele Soldaten schwer, die psychischen Deformationen zu überwinden. Die jungen Männer werden ihr weiteres Leben lang nun mit Traumata zu kämpfen haben. Und diese psychischen Verletzungen von Mikes Kameraden, die sich Hank gegenüber so akkurat benehmen, werden der Grund für eine Tat sein, deren grausige Planung auch ihre Voraussetzung in der Alltäglichkeit des schmutzigen Kampfes im Irak hat.

Diese Geschichte der Erniedrigung, sozialen Verelendung und auch selbstbestimmten Handelns wird durch die Präsenz der Schauspieler und durch das Timing der visuellen Erzählung bestimmt, durch sie wird das emotionale und intellektuelle Interesse geweckt. Tommy Lee Jones, Charlize Theron als Detective und Susan Sarandon als Joan Deerfield, eigentlich alle mehr oder minder tragenden Darsteller geben ihre Rollen als Studien von Charakteren. Keine Spur von outriertem Acting. Dafür hat Haggis einen ebensolchen visuellen Stil, der Landschaften und Handlungen ihre Bedeutung lässt und auf das Verständnis für Bilder vertraut. Nachdem Hank Klarheit hat über den Tod seines Sohnes, ruft er Joan an, deren Schmerz ergreifend wirkt. Sie wird sofort nach Fort Rudd fliegen. Kein rührseliger Empfang. Der rote Knopf des Telefons in Hanks Hotelzimmer leuchtet auf und kündigt eine Nachricht an. Schnitt. Joan sitzt verlassen auf einer Bank des kleinen Flughafens, wo sie von Hank abgeholt wird. Wenige Bilder, prägnant geschnitten, lassen Tragisches ästhetisch erleben.

Die alleinerziehende Emily Sanders bittet Hank, ihrem Sohn eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Nein, vorlesen kann er nicht, diese kommunikative Form hat der Sergeant nicht gelernt, aber erzählen kann er eine Geschichte aus der Bibel, diejenige von David und Goliath und ihrem Kampf im Tal von Elah. Überzeugt von dieser tapferen und listigen Tat Davids trifft er mit seiner Erzählweise das Verständnis des kleinen Jungen und unser Verständnis für seine Haltung. Wenn Hank sich auf seine zweitägige Reise in den Süden begibt, zeigt er erst einem jungen Einwanderer, dass man die amerikanische Flagge nicht verkehrt herum aufhängen darf, weil das bedeuten würde, das Land wäre in Not. Bei seiner Rückkehr hängt er die Fahne selbst in diese prekäre Position und fixiert sie wie für immer. Haggis stürzt uns mit seinem Schlussgag in Nachdenklichkeit, wir werden so schnell keine eindeutige Erklärung für dessen plakative Aussagen finden. Aber sind wir das in der Beurteilung von Amerika nicht schon immer gewohnt?

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 2/2008 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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