Zwei Mädchen liegen auf dem sommerheissen Asphalt. Leicht nur zucken ihre Füsse und Gesichter in Zeitlupe. Da beginnt es zu regnen. Die Tropfen färben den Boden dunkel, Punkt für Punkt. Auf der Tonspur ist das immer eiliger werdende Prasseln zu hören, wobei man bemerken kann, dass es sich dabei wohl weniger um Regengeräusche auf Asphalt, als vielmehr um das Trommeln auf einem Perkussionsinstrument handeln dürfte. Irgendwann springen die beiden Mädchen auf und laufen davon, aus dem Bild hinaus. Im verlangsamten Videobild zeigen sich ihre Bewegungen als unscharfe Schlieren. Dann sind sie weg. Was bleibt, sind ihre Konturen als trockene Stellen auf dem Boden. Helle Flecken auf dunklem Grund. Doch der Regen fällt weiter, und allmählich verschwinden auch die Körperabdrücke. Tropfen für Tropfen lösen sie sich auf.
Verknappt wie ein Haiku führt das Video erst hell, dann leicht, dann himmelhoch der Schweizer Künstlerin Edith Flückiger (das unter anderem auch an der zweiten Ausgabe von Videoex zu sehen war) zurück zu den Fundamenten jeglicher Bildgebung. Wer hat das als Kind nicht auch schon ausprobiert: mit nassem Finger Zeichen auf den trockenen Brunnenrand gezeichnet, um dann zuzuschauen, wie die Spuren langsam versickern, trocknen und verschwinden? So hat die Natur immer schon gemalt, mit Wasser auf Stein und das bereits Millionen von Jahren, bevor es überhaupt jemanden gab, der diese Bilder hätte bewundern können. Zugleich aber spiegelt sich in Edith Flückigers Regenbild nicht nur die älteste, sondern auch die modernste Bildtechnik: Die einzelnen Tropfen, die Konturen malen, erinnern unweigerlich an die Pixel, aus denen sich jenes Videobild zusammensetzt, das wir da sehen. Und wenn am Ende nichts bleibt als nasser Asphalt, die ganze Fläche zugemalt von den nassen Pixeltropfen, sieht es aus wie ein Fernsehschirm, auf dem nichts läuft als elektrisches Bildrauschen. Video, so wird uns klar, kennt keinen festen Aggregatzustand, sondern nur laufende Transformation, wie sie bereits der Titel des Videos beschreibt: erst hell, dann leicht, dann himmelhoch. Statt etwas festzuhalten, wie man es gemeinhin Bildern attestiert, wird im Videoformat die Darstellung verflüssigt. Bilder schlagen sich nieder und vergehen im selben Zug wie Konturen im Regen.
Selten sagte eine Bezeichnung so wenig über seinen Gegenstand aus wie «Video». Das Wort kommt aus dem Lateinischen und meint dort schlicht «Ich sehe». Als Name für ein optisches Medium ist das einigermassen tautologisch und verschweigt gerade das Wesentliche. Ich sehe! Aber was? Vielleicht ist jedoch eben diese Frage, was man denn eigentlich sehe, wenn man Video betrachte, dessen eigentliche Pointe. Die Frage könnte uns sensibel machen für ein Medium, das absolut alltäglich ist und von dem wir trotzdem noch immer nicht wirklich verstanden haben, wie radikal anders es funktioniert, als was wir uns gemeinhin unter Sehen vorstellen.
Ich sehe! Aber wie?
…
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