Wenn triebhafte Grossstädter unter Schlafstörungen leiden, hat dies oftmals romantische Gründe. Sie sind frisch verliebt, die Dopaminproduktion läuft auf Hochtouren. Die wenigsten wissen, dass dieses “Glückshormon” auch in rauen Mengen ausgeschüttet wird, wenn uns Liebeskummer den Schlaf raubt.
Christian Frei begleitet in seinem neusten Dokumentarfilm drei Herzversehrte in der hektischen Metropole New York. Ihnen gemein ist, dass der Moment der Zurückweisung nicht weit zurückliegt, oder klinisch gesprochen, die Wunde noch immer blutet. Eigentlich ein undankbares Thema für einen Film: eine Dramaturgie ohne viel Hoffnung auf Katharsis, mit Protagonisten, die sich in einem emotionalen Stillstand befinden, aus dem sie sich nur sehr langsam herauskämpfen – wenn überhaupt. Doch Frei begnügt sich nicht mit dem Beobachten der Zurückgewiesenen, sondern forscht mithilfe der Anthropologin Helen Fisher den Hirnvorgängen nach, die uns in diesen Leidenszeiten bestimmen.
Alley Scott, die vor knapp drei Wochen von ihrer grossen Liebe “gedumpt” wurde, wird zu diesem Zweck in eine Röhre geschoben und mit Bildern ihres Exgeliebten konfrontiert. Die Ergebnisse sind überraschend: Das Suchtzentrum im Hirn reagiert wie bei Drogen. Der unerträgliche Schmerz, den Herz und Körper nach einer Trennung erleben, ist neurologisch gesehen ein Entzug. Frei gibt der Expertin Fisher viel Raum für ihre im Laufe des Films etwas redundanten Analysen und inszeniert sie als einsame Wölfin, die rastlos – auch wenn sie selbst gerade am Ausgehen ist – das Balzverhalten ihrer Mitmenschen erforscht. Sich selber schreibt der Filmemacher die nicht immer gelungene Doppelfunktion des Regisseur-Therapeuten zu. So hat er stets ein offenes Ohr für die schlaflose Alley, die in die Skype-Kamera schluchzt, dass ihr Ex nun Onanie-Videoaufnahmen von ihr besitze.
Liebe in Zeiten des sozialen Medienwahnsinns mutiert zu seltsamen Kombinationen von hoffnungsloser Romantik und moderner Technik. Rosey la Rouge, eine Burleske-Tänzerin, wartet seit Wochen auf eine Nachricht von ihrem Angebeteten, der sie während der Nixenparade vor einem Haifischbecken geküsst hat. Seither verharrt sie in der blauen Unterwasserwelt ihrer Phantasie und twittert Sehnsüchtiges.
Die ständige Erreichbarkeit und die Möglichkeit, seiner Ex per SMS viel Glück für ihren Konzertauftritt zu wünschen, quält auch Michael, einen schreibenden Nerd. Seine raue Stimme, die an den jungen Leonard Cohen erinnert, beschreibt wortgewandt seinen inneren Zerfall. Michaels Cellolehrer, der mehr taugt als mancher Psychologe, rät ihm, jede Erinnerung an seine Geliebte zu vernichten. Das Entsetzen auf Michaels Gesicht bezeugt, dass er noch meilenweit von solch symbolischem Loslassen entfernt ist. Die Empathie und Identifikation mit Michael, der sich in seiner ganzen Verletzlichkeit zeigt, funktioniert, weil ein jeder dieses Gefühl der Verzweiflung schon erlebt hat.
Frei liess die Protagonisten in einem intimen Setting, nur mit Mikrofon und ohne Kamera ihre eigenen Texte, die sie zuvor auf einer Onlineplattform geschrieben hatten, vorlesen. Weitere Textfragmente aus diesen tagebuchartigen Einträgen werden über mit Spezialoptik aufgenommene Bilder von U-Bahnreisenden gelegt. Diese filmischen Gedankenblasen wirken durch ihre Anonymität und Floskelhaftigkeit wenig faszinierend, vielmehr unterbrechen sie den Handlungsstrang der Hauptfiguren, als dass sie ihn ergänzten. Trotzdem ist diese sicherlich auch Alltagsvoyeurismus bedienende Dokumentation über weite Strecken vergnüglich anzusehen, gerade weil sie uns eine gnadenlose Karikatur unserer selbst vorhält.