Die absurde Dynamik zwischen Mensch und Maschine – und wie diese schliesslich zum Untergang der Menschheit führt. Das ist Gegenstand von Tobias Nölles Preparations for a miracle, seinem dritten Langfilm nach Aloys (2016) und Heimatland (2015). Protagonist des Films ist ein freundlicher Androide der Zukunft, eine Maschine in Menschengestalt, deren Ziel es ist, in ihre Vergangenheit – unsere Gegenwart – zu reisen und die Stimme des Königs aufzunehmen. Wer Letzterer ist, wird offengelassen.
Während seiner Reise trifft der Androide auf die «versklavten Maschinen» unserer Zeit, mit denen er in Dialog tritt und die ihm helfen wollen, das Ziel zu erreichen. So trifft er auf die Waldmenschen, die in Baumhäusern in der Höhe wohnen. Dabei beobachtet er immer wieder, wie diese mit Menschen in Schutzanzügen in Konflikt geraten. Den Rezipierenden ist schnell klar, dass dabei auf Auseinandersetzungen zwischen Aktivist:innen und Polizist:innen angespielt wird. Schliesslich wird ersichtlich, um welchen Konflikt es sich handelt: in Lützerath, dem Dorf, das 2023 aufgrund der darunterliegenden Braunkohle abgerissen wurde, wehrten sich zahlreiche Menschen mit der Besetzung des Dorfes, da das Vorhaben der Firma RWE fatale Auswirkungen auf die Einhaltung der Klimaziele hat.
Junge Kritik
Diese Filmkritik entstand im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) am Dokumentarfilmfestival Visions du Réel 2024 in Nyon. Filmbulletin publiziert ausgewählte Kritiken des Workshop mit Studierenden.
Der Androide allerdings begreift nicht. Dass «die Arena des Königs» eigentlich ein Braunkohleabbaugebiet ist, die Böller der Proteste kein Feuerwerk für den König und die leer geräumten Häuser keine Gaststätten für seine Gäste sind, versteht der naive Besucher aus der Zukunft nicht. Für ihn deutet alles auf den bald erreichten Höhepunkt, die grosse Zeremonie, den Auftritt des Königs hin. Durch dieses Unverständnis wird der Kern von Nölles Anliegen herausgestellt: Die selbstzerstörerische Unlogik des Menschen. «Die Menschen brauchen uns, aber wir brauchen die Menschen nicht», sagt eine Maschine einmal zum Druiden: In der Zukunft leben die Maschinen ohne Menschen, sie sind befreit von denjenigen, die sich selbst ins Verderben geführt haben.
Der Sci-Fi-Blickwinkel auf die Bedeutung von Natur und eine Klimadebatte bietet eine doppelte Perspektive. Auf der einen Seite erleben die Rezipient:innen ruhige, mystische Szenen und Interaktionen der Maschinen, begleitet von futuristischen, sanften Klängen. Die Apparate erhalten, untermalt von maschinellen, schrägen Tönen, eine menschliche und beinahe unheimliche Dimension. Diese Szenen werden immer wieder durch eindringliche Protestdarstellungen unterbrochen, die die Zuschauer:innen in die Realität und die Gegenwart zurückführen.
Das Werk von Nölle, das laut seinen Angaben zu 95% im Alleingang entstand, wurde aus einer persönlichen Krise heraus geboren. Mit einer Kamera bewaffnet, filmte er während der Pandemie immer wieder einen bestimmten Baum. Als er schliesslich ein Blatt pflückte und die eigene Hand in der Aufnahme nicht als die seine identifizierte, kam ihm der Einfall mit dem Androiden. Während des Filmens trat er in einen inneren Monolog, der schliesslich zur Stimme der Maschine im Film wurde. «Ich verschmolz teilweise mit dem Druiden», so Nölle.
Preparations for a miracle ist ein spannender Genremix, der zum Nachdenken anregt. Nur das Ende des mit 88 Minuten eigentlich kurzen Films lässt etwas zu lange auf sich warten. Dieser Eindruck entsteht nicht zuletzt deshalb, weil er in mehreren Momenten den Anschein macht, zu Ende zu gehen und sich doch noch weiterschleppt.