Naima ist warmherzig, charmant und voller Lebensfreude. Mit ihrer quirligen Art vermag es die Protagonistin, alle für sich zu gewinnen. Regisseurin Anna Thommen porträtiert die Venezolanerin als Kämpferin, die sich von Vorurteilen und strukturellen Ungerechtigkeiten nicht unterkriegen lässt. Auf ihrem steinigen Weg gehen dunkle, depressive Phasen – metaphorisch immer wieder stark ausgedrückt in Sequenzen unter Wasser – Hand in Hand mit Freudentränen und -tänzen.
Bereits seit 17 Jahren lebt Naima in Basel. Voller Hoffnungen und Visionen verliess sie ihre Heimat der Liebe wegen und aufgrund der zunehmend schwierigen politischen Lage. Sie kam in ein Land, in dem ihr alles perfekt schien – aber nicht für sie. Ihr Diplom wurde nicht anerkannt, und so wurde aus der Marketingchefin eines internationalen Konzerns notgedrungen eine Hausfrau. Alleine mit den beiden Kindern zu Hause und abhängig vom Ehemann in einem ihr fremden Land, rutschte sie Stück für Stück in eine tiefe Depression. Naima erzählt, wie sie ihren Mann verliess, dieser später auch die Kinder zu sich nahm und sie es dennoch nach und nach aus eigener Kraft schaffte, dem Teufelskreis zu entkommen und sich einen Platz in der Schweizer Gesellschaft zu erkämpfen.


Der gleichnamige Dokumentarfilm begleitet Naima über vier Jahre. Zu Beginn hält sich die 47-Jährige mit Niedriglohnjobs über Wasser und kann ihr Glück kaum fassen, als sie endlich für einen Ausbildungsplatz zur Pflegefachfrau an den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) zugelassen wird. In ihrem ersten Praktikum auf der Station begegnet sie den Patient:innen mit ihrer empathischen und freudigen Art, führt wunderbare Gespräche. Doch genau diese Nähe wird ihr zum Verhängnis – Vorgesetzte werfen ihr mangelnde professionelle Distanz vor und lassen sie das Praktikum nicht bestehen. «Ich versuche, so zu sein wie sie, aber ich bin nicht wie sie», sagt sie fassungslos und zweifelt einmal mehr an den Möglichkeiten einer gerechten Integration, für die sie doch so hart arbeitet.
Aber es geht auch wieder bergauf: Am Ende hält Naima strahlend ihr Diplom in der Hand, und ihr Sohn drückt rappend seine grosse Liebe und Dankbarkeit ihr gegenüber aus. Nicht mehr unter Wasser, sondern mit starken Zügen kraulend, durchquert Naima den Rhein und lässt sich mit Blick in den weiten blauen Himmel auf dem Wasser treiben.
Nach Neuland (2013), in dem Schüler:innen und der Lehrer einer Integrationsklasse begleitet werden, und Volunteer (2019), der Schweizer Freiwillige zeigt, die Geflüchtete bei ihrer Ankunft in Griechenland unterstützen, gelingt es Anna Thommen und ihrem kleinen Team mit Naima einmal mehr, filmisch und voller Feingefühl einem exemplarischen Einzelschicksal Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen. Und so für Akzeptanz und eine vielfältige Gesellschaft einzustehen.