«Hey, Mickey, wie fühlt es sich an, zu sterben?» Der junge Mann antwortet mit einem müden Lächeln, er liegt nach einem Sturz schwer verletzt im Schnee. Lange dürfte es für ihn nicht mehr dauern. Den Tod hat er so oder anders bereits 16 Mal durchlebt. Es ist sein Job, sein Leben zu riskieren; und wenn er stirbt, wird ein identischer Klon von ihm hergestellt, topfit und mit intaktem Erinnerungsvermögen. Ein innovativer 3D-Printer macht’s möglich. Die Zukunft ist in Bong Joon-hos Mickey 17 immer die weitergedachte Gegenwart, im technischen wie im übertragenen dramaturgischen Sinn.
Mickey Barnes ist in dieser befremdlich dystopischen Welt der Mann fürs Grobe, ein menschlicher Crash-Test-Dummy, zu allem bereit. Zwangsweise. Schon auf der Erde lief es für ihn nicht gut. Deshalb meldete er sich freiwillig für eine Mission zum Planeten Niflheim, die vom einflussreichen Unternehmer Kenneth Marshall und seiner charmant manipulativen Frau Ylfa finanziert wird. Marshalls Vision ist es, eine Kolonie im All zu errichten, das Universum für die Menschheit einzunehmen, seine Macht zu expandieren. Man kennt das Spiel, es ist hochaktuell.

© 2025 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.
Schauplatz von Mickey 17 ist der Bauch ein ziemlich runtergerockten Raumschiffs mit rund 200 Insassen an Bord. Mickey soll für das Wissenschaftsteam neue Seren testen und die raue, unerschlossene Umgebung erkunden. 17 Mal hat er alles gegeben. Eines Tages jedoch kehrt er «nur» demoliert, aber lebendig zur Basis zurück – und muss festzustellen, dass sein Nachfolger längst gedruckt worden ist.
Zu dumm – nicht nur, weil «Mehrfachexistenzen» in dieser Welt illegal sind, sondern auch, weil sein Doppelgänger es auf den machthungrigen Kapitalisten abgesehen hat. Gemeinsam mit seiner Raumschiff-Romanze Nasha (Naomi Ackie) versucht Mickey daraufhin, das Schlimmste zu verhindern. Dazu gehört auch, eine vermeintlich bösartige Alienrasse zu retten, die auf dem Zielplaneten angesiedelt ist.

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Sechs Jahre nach seinem mit mehreren Oscars ausgezeichneten Triumph mit Parasite (2019) macht Bong Joon-ho mit Mickey 17 filmisch eine Kehrtwende. Die Science-Fiction-Komödie, die auf dem 2022 erschienenen Roman «Mickey7» des amerikanischen Schriftstellers Edward Ashton beruht, erinnert stark an seine vorherige futuristische Fantasy-Fabel Okja (2017) – ohne die übermässige Sentimentalität des Vorgängers, aber getragen von derselben Wertschätzung und einem geschärften Bewusstsein für die seltsamen Kreaturen im Film, einer verniedlichten Kreuzung aus Mammut und Kellerassel. Gleichzeitig imponiert Mickey 17 mit seiner Blockbuster-Ästhetik und berührt zugleich brisante gesellschaftspolitische Themen, wie man es sich vom südkoreanischen Regisseur gewohnt ist.
Dennoch hat man das Gefühl, nicht nur der Protagonist – Robert Pattinson in einer famosen Doppelrolle – leidet hier an den Ambitionen seines Regenten, sondern auch das Werk am Ehrgeiz seines Schöpfers. Übertriebene Karikaturen und unausgegorene Nebenhandlungen belasten die Geschichte. Der grösste Dorn im Auge ist Mark Ruffalos Kenneth Marshall als klare Analogie zu Donald Trump, sowohl in dem, für das er steht, als auch in der Art und Weise, in der er sich gibt, bewegt und aussieht. Die Persiflage ist so offensichtlich und oberflächlich, dass man Bong Joon-hos feines Gespür für das Absurde im Banalen in den Szenen mit Marshall auf dem Höhepunkt seiner Machtgeilheit – und seinem unvermeidlichen Untergang – besonders schmerzlich vermisst.