Les Recommencements, nach Ailleurs, partout (2020) der zweite gemeinsame Film von Isabelle Ingold und Viviane Perelmuter, beginnt in einer von Scheinwerfen schwach erhellten Dunkelheit, aus der Silhouetten von Fischerbooten am Klamath River beim Fischfang hervortreten. Der Lachs, der hier gefischt werden soll, ist lebenswichtige Nahrungsquelle und grundlegend für Spiritualität und Identität der Yurok. Früher reichte es für das ganze Reservat, doch die Fischwanderung vom Ozean den Fluss entlang lässt auf sich warten, der Fang ist mager. «Der Fluss ist krank, der Ozean ist krank, die Fische sind krank, die Leute sind krank, krank seit langer Zeit», sagt Al Moon.
Wie ein Schattenriss mit leuchtenden Konturen tritt er aus der Dunkelheit hervor, genau wie seine Lebensgeschichte, die sich langsam und stückweise aus dem Dunkel der Erinnerung schält. Er hat damals als Soldat in Vietnam gekämpft und ist nach Kansas City eingeladen worden, zu einem Veteranentreffen mit seinen Kameraden, die er über 40 Jahre lang nicht gesehen hat. Der Kreis soll sich schliessen, er will sich den Gespenstern der Vergangenheit stellen, um einen Neuanfang zu ermöglichen, denn «die Vergangenheit klammert, vor allem, wenn man vor ihr davonläuft».

© Visions du Réel/Clin d'oeil
Isabelle Ingold und Viviane Perelmuter begleiten ihn auf diesem Weg «zurück an den Ort, an dem sich die Vergangenheit für die Zukunft öffnen kann», wie er sagt. Die beiden Filmemacherinnen verstecken ihre Anwesenheit nicht. Im Gegenteil. Man hört sie auf Fragen antworten und davon erzählen, wie sie und Al sich kennengelernt haben. Sie dokumentieren nicht nur seine Lebensgeschichte, sondern sind seine Gefährtinnen und Vertrauten. Je länger der Trip nach Kansas City dauert, desto mehr erfahren wir über die Geschichte von Al und warum er sich einst freiwillig für den Militärdienst meldete. Unaufdringlich werden gesellschaftspolitische Themen thematisiert, Gespräche mit Menschen in der Bar, im Diner oder vor dem Motel geführt.
Zu den eindrücklichsten Momenten des Films zählen aber jene traumartigen Sequenzen, in denen Al Moon flüsternd über sein Leben, über Schuldgefühle, Scham und Angst, über seine Zweifel, ob er überhaupt an dem Veteranentreffen teilnehmen soll, über die Verbrechen an den Indigenen Nordamerikas und den Vietnamkrieg spricht. Musikalisch unterlegt sind sie mit verhallten, rauschenden Ambient-Noise-Klängen und flächigen Dronesounds, die wie Alarmsignale tönen und eine unheimliche, fast bedrohliche Atmosphäre erzeugen: das Bild einer aus den Fugen geratenen Welt.
Les Recommencements ist ein behutsames, liebevolles Porträt eines beeindruckenden Menschen, geprägt von der spürbaren, nie übergriffigen Nähe zwischen Al Moon und den beiden Filmemacherinnen, und ein experimentelles Roadmovie, das in kleinen Gesten von den gewaltsamen Abgründen amerikanischer Geschichte und der Lebensrealität der kalifornischen Yurok erzählt.
Junge Kritik
Diese Kritik entstand im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) am Dokumentarfilmfestival Visions du Réel 2025 in Nyon.