In Raiders of the Lost Ark (1981) zeigt uns Steven Spielberg seinen neuen Helden anfangs nur fragmentiert und in Silhouette. Als wir nach einem gezielten Peitschenschlag erstmals dessen entschlossenen Blick unter dem Hut erspähen, erklingen dazu jene absteigenden Septakkorde der Blechbläser, die im klassischen Hollywood den Auftritt des Bösewichts markieren. Auch im weiteren Prolog seines ersten Films erscheint Indiana Jones eher als zwielichtiger Abenteurer im Stil Humphrey Bogarts in The Treasure of Sierra Madre (John Huston, 1948) denn als strahlender Held. Der Komponist John Williams setzt die einzelnen Phrasen des synkopierten «Raiders March» anfangs deshalb nur spärlich für besonders waghalsige Handlungen ein. In voller Länge ist dieses musikalische Porträt von Indy erst unter dem Abspann zu hören.
«Marion’s Theme» wiederum verwendet Williams nicht als Leitmotiv für die weibliche Hauptfigur, sondern für ihre Rolle als Projektionsfläche von Indys Liebesphantasien. Wir hören die spätromantisch sehnsüchtigen Vierteltriolen deshalb nur, wenn Indy mit ihr zusammen ist, an sie denkt oder von ihr spricht, nicht aber in Szenen, in denen Marion ohne Indy zu sehen ist. Meist geht diese ausladende Melodie allerdings schon nach wenigen Takten in ein absteigendes Dreinotenmotiv über, das für die titelgebende «ark of the covenant», also die Bundeslade steht. Die Dramaturgie von Raiders of the Lost Ark lebt nämlich nicht zuletzt davon, dass der als Serienheld angelegte Indy innerlich zwischen diesen beiden Objekten seiner Begierde hin und her gerissen ist.
Zusammenspiel von Musik und Geräuschen
Während die eingängigen Themen und Motive wohl den meisten Zuschauern im Ohr bleiben, zeigt sich Williams’ eigentliche Meisterschaft in seiner Fähigkeit, bildgenau auf visuelle und emotionale Bewegungen zu reagieren, ohne den musikalischen Formwillen dem Effekt zu opfern. Gerade wegen dieser Nähe zur scheinbar redundanten Kompositionspraxis von Max Steiner und Erich Wolfgang Korngold wird John Williams von der seriösen Filmkritik oft vorschnell als reaktionär ignoriert. Bei genauerer Betrachtung lässt seine angeblich alles zukleisternde Musik der damals massiv aufgewerteten Geräuschespur jedoch erstaunlich viel Raum zur Entfaltung.
So benutzt der Sounddesigner Ben Burtt beispielsweise das mit menschlichen Stimmen angereicherte Rauschen des Windes vom Hauch bis zum tosenden Sturm als Leitmotiv für den alttestamentarischen Zorn Gottes. Auch für die zeitlichräumliche Verortung der Handlung sind die Geräusche zentraler als im klassischen Hollywood. Zwar schwelgt Raiders of the Lost Ark als Hommage ans klassische Abenteuerkino bei der Überleitung nach Kairo genüsslich in musikalischen Exotikklischees. Die Szenen innerhalb der Stadt sind akustisch hingegen viel komplexer organisiert als etwa in Casablanca, wo Max Steiners extradiegetische Musik gleichzeitig für marokkanische Atmosphäre und Wiedererkennbarkeit von Schauplätzen verantwortlich ist.
Bei Spielberg wiederum sorgt intradiegetische Off-Musik für räumliche Orientierung in den von Marktgeräuschen durchfluteten Gassen: Während im Hauptquartier der Nazis von Ferne arabischer Gesang zu hören ist, verorten wir das Versteck der angeworbenen Schergen intuitiv in der Nähe von Indy und Marion, da hier dieselbe Tanzmusik mit Tambourin und Flöte erklingt. Der slapstickartig choreografierten Verfolgungsjagd, die in Marions Entführung gipfelt, verleiht Williams mit drängenden Achteln im Bass und einer quäkenden Holzbläsermelodie die Leichtigkeit eines ironischen Balletts. Dabei klingen die musikalisch kaum akzentuierten Schläge und Peitschenhiebe anfangs drucklos und leicht. Als Marion allerdings ernsthaft in Gefahr gerät, orientieren sich Musik- und Geräuschespur unisono an der emotionalen Verfassung des Protagonisten, bis Williams Indys nunmehr kraftvollen Schüssen mit einer Trompetenfanfare zusätzliches Gewicht verleiht.
Akustische Beleuchtungseffekte
Im Gegensatz dazu vertont Williams die Bewegungen der Figuren in der Schlägerei auf dem Wüstenflugplatz mit exzessiver Synchronisation von musikalischen und visuellen Akzenten. Weil er die bewusst wahrnehmbaren Faustschläge aber dem herrlich überhöhten Sounddesign überlässt, wirkt das als akustische Blindenschrift verpönte Mickey-Mousing dennoch nicht lächerlich. Der Rhythmus dieser Sequenz wird besonders stark von der akustischen Interpunktion bestimmt. Unabhängig von der Schnittfrequenz strukturiert Williams die Action als Wechselspiel von rhythmischen und ausgehaltenen Passagen. Parallel dazu übernehmen die hart geschnittenen Propellergeräusche zunehmend die Funktion der Trommeln.
Im Detail übernimmt Williams’ Musik oft eine der Beleuchtung vergleichbare Funktion: Mit der selektiven Vertonung einzelner Bildelemente lenkt sie unsere Aufmerksamkeit bald auf den von schwerer Perkussion begleiteten Flugzeugmechaniker, den Spielberg wie einen Computerspiel-Endgegner inszeniert, dann wieder auf Indy, dessen Trompetenmotiv sich mit der dramatischen Streicherphrase des bedrohlich auslaufenden Treibstoffs abwechselt. Mit jedem Zwischenschnitt klingt die Kerosinspur greller, bis das Plätschern der Flüssigkeit schliesslich mit Tremoli und Trillern ganz im Zentrum steht.
Solche musikalischen Spotlights werden im Genrekino besonders gern zur Erzeugung affektiver Schockmomente eingesetzt. In Raiders of the Lost Ark übernehmen jedoch immer wieder Geräusche die Funktion dieser sogenannten Stinger. So erschreckt uns Ben Burtt mehrmals erfolgreich mit dem unrealistisch giftigen Zischen und Rasseln der von Indy gefürchteten Schlangen. Als Marion daraufhin auf halbverweste Leichen fällt, unterlegen die Filmemacher die Totenköpfe gar mit verzerrten menschlichen Schreien, die das Publikum wie in einer Geisterbahn erst zusammenzucken und dann lachen lassen.
Wie sehr hingegen die für Spielberg typische Magie des Films von John Williams’ akustischer Beleuchtung abhängt, zeigt sich in der praktisch dialoglosen Szene, als Indy mithilfe eines Sonnenstrahls das Versteck der Bundeslade ermittelt. Begleitet von immer dringlicheren Ostinati entfaltet sich dabei das repetitive Dreinotenmotiv über einem anschwellenden Orgelpunkt der Kontrabässe. Dazwischen schiebt Williams mehrmals eine mäandrierend aufsteigende Streicherlinie, die keine Rückschlüsse auf eine bestimmte Tonart zulässt und dem Zuhörer dadurch jeden musikalischen Halt verweigert. Parallel zu Intensität und Bewegung des gebündelten Sonnenlichts verschmelzen die konkurrierenden Miniaturen und Klangfarben im Crescendo zu einem monumentalen Tutti-Akkord, der mit Glöckchengeläut alles überstrahlt.