Über Felswänden und plätschernden Bergbächen steigen Nebelschwaden auf, erst feine, dann immer dichtere. Was zu Beginn anmutet wie ein Werbespot für Valserwasser, wandelt sich bald einmal zum Katastrophenszenario: Die Wolken über der Schweiz ballen sich zusammen und werden immer dunkler. Meteorologen sagen einen Sturm von nie gekannter Stärke voraus; die Bevölkerung wird panisch, macht Hamsterkäufe und flüchtet Richtung Grenze; Versicherungsgesellschaften suchen schon vor dem Sturm nach Strategien, um sich vor den Schadenszahlungen zu drücken. Heimatland schildert in episodischer Struktur, wie sich die drohende Katastrophe auf verschiedenste Bewohnerinnen und Bewohner des Landes auswirkt und welche Befindlichkeiten durch die Verunsicherung zutage treten. Die Figuren reagieren ganz unterschiedlich: Während die einen sich verbarrikadieren, bleiben die andern gleichgültig oder feiern lustvoll den Untergang. Als der Sturm schliesslich losbricht, erst am Ende des Films, regnet es zwar nicht wie in P. T. Andersons Magnolia Frösche vom Himmel, aber auch hier fungiert das Naturereignis als moralischer Appell.
Heimatland will Katastrophenfilm und zugleich Gesellschaftsanalyse und Sittengemälde sein. Das Projekt entstand aus der Entrüstung über die Annahme der sogenannten Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014, die die Personenfreizügigkeit einschränken möchte. Der drohende Sturm steht für eine in der Schweiz grassierende Fremdenangst, die sich in grossen und kleinen Rassismen zeigt sowie in einer Aussenpolitik, die zunehmend auf Abkapselung und Alleingang setzt und dadurch die Isolation des Landes riskiert.
So dringlich, aktuell und unterstützungswürdig das Anliegen der Filmemacher ist, (Schweizer) Fremdenfeindlichkeit anzuprangern, im Lauf des Films droht leider die Gefahr, dass die angestrebte Wirkung etwas verpufft. Dies liegt zum einen an den teilweise schablonenhaften Figuren, die zu eindeutige Feindbilder liefern. Dadurch können wir uns zu klar von ihnen abgrenzen. Wer identifiziert sich schon mit dem rassistischen Freier, dem brutalen Ladenaufseher im Kontrollwahn, der senilen alten Frau, die sich mit ihrem Wellensittich unterhält? Die Perfidie von Fremdenangst und Ausgrenzung liegt in der Beiläufigkeit und Alltäglichkeit ihrer Mechanismen, die uns oft kaum bewusst sind; im Schwarzweiss der Figurenzeichnungen entsteht aber keine Möglichkeit zur Selbstreflexion. Andere Figuren wiederum bleiben auf einer metaphorischen Ebene und werden in ihrem gesellschaftskritischen Gehalt nicht recht greifbar, so etwa die beiden jungen Schwestern, die sich in lyrischen Sequenzen zu Hause von der Aussenwelt abschotten. Ausserdem werden zwischen dem Egoismus der Individuen und der gesamtgesellschaftlichen Ausrichtung Parallelen suggeriert, die aber unklar bleiben. So bleibt der Film bei aller Dramatik in seiner Gesamtaussage etwas diffus.
Das eigentliche Novum des Films liegt in seiner Entstehungsweise: Er wurde von einem Kollektiv junger Filmemacher konzipiert und gedreht. Die zehn Leute sind zwischen 30 und 40 Jahre alt, sie stammen aus der Deutschschweiz und der Romandie. Der Mut zum aufwendig produzierten abendfüllenden Spielfilm und zur Sprachgrenzen überschreitenden Kooperation setzt ein erfreuliches Zeichen in der filmischen Landschaft der Schweiz, ebenso wie das Anliegen der unverblümten politischen Stellungnahme. Die Thematik der EU-Grenzen, an die Heimatland in seiner abschliessenden Pointe rührt, erhält im Licht der Flüchtlingsbewegungen des Jahres 2015 eine Aktualität, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Projekts noch kaum erahnt werden konnte.