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Hinter verschlossenen tueren 2

«Fest zum Film gehören auch Geräusche»

«Ich war mehr als ein Jahr in Amerika, um einen Dokumentarfilm über Hopi-lndianer zu drehen. [… ] Ich habe dieses Berlin nach meiner Rückkehr sehr viel anders angeschaut.»

Text: Sabina Brändli / 01. Okt. 1991

FILMBULLETIN: Wie bist du auf die Idee des Films gekommen? Konntest du nicht schlafen, hast plötzlich all die Geräusche, die es in jedem Haus gibt, wahrgenommen und dir Geschichten dazu ausgedacht? Oder kam der Anstoss gar nicht aus der persönlichen Alltagserfahrung, sondern aus Büchern oder von Filmerlebnissen?

ANKA SCHMID: Im Nachhinein scheint es immer einfacher, als es tatsächlich gewesen ist. Ich war mehr als ein Jahr in Amerika, um einen Dokumentarfilm über Hopi-lndianer zu drehen. Anfangs 1989 kam ich zurück und habe gewusst: jetzt, da ich so weit weg gewesen bin, will ich eine Geschichte machen, die ganz bei mir ist. Wenn ich nicht weg gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich nicht dieses Interesse an meiner nächsten Umgebung gefunden. Das andere Leben, das In-einer-Wüste-Wohnen, das ln-einem-lndianerdorf-Leben, ohne Strom, ohne fliessendes Wasser – plötzlich wird man aufmerksamer auf den Alltag, auch auf die nächste Umgebung, auf die Leute, mit denen du zusammen bist. Ich habe dieses Berlin nach meiner Rückkehr sehr viel anders angeschaut.

Dazu kam ein Wohnungsumzug und das Wohnungsproblem. Ich habe da sehr lange gesucht und bin beim Wohnungssuchen in viele Wohungen reingekommen. Zwei Kündigungen haben mich dazu gebracht, mich noch mehr mit dem Wohnen auseinanderzusetzen. Da entstand dann irgendwann die Idee, viele kleine Geschichten zu erzählen, die alle im selben Haus spielen und so die Geschichte von diesem Haus erzählen. Es war klar, dass ich den Film in Berlin drehen werde, über den Alltag und die Leute um mich herum. Ich habe mich gefragt, welche Menschen in diesem Haus wohnen könnten, und erfand verschiedene Geschichten zu diesen Menschen.

Als ich zurück kam nach Berlin, hatte ich ausserdem das Glück und die Pflicht, meinen Abschlussfilm zu machen. Ich sage Glück, weil ich wusste, ich kann – wenn auch mit bescheidenen Mitteln, 20 000 Mark waren das am Anfang – einen Film machen, ohne «einreichen« zu müssen. Ich wusste, ich kann einen Film machen, bei dem ich mich überhaupt nicht selber zensiere, weil ich denke, das wird sowieso nicht bewilligt. Ich hatte insofern sehr gute Voraussetzungen, weil ich wusste, dass ich auch machen kann, was ich machen will, sofern es diese 20 000 nicht übersteigt. Schliesslich habe ich dann aber noch mehr Geld bekommen.

FILMBULLETIN: Ist die Figur von Herrn Kempinski eine rein fiktive Figur oder gibt es eine historische Figur, an die du dich anlehnst?

ANKA SCHMID: Kempinski ist in dieser Form eine völlig fiktive Figur. Den Namen hat Kempinski einerseits vom Luxushotel, das gleich neben meiner Wohnung liegt, andererseits ist es sehr typisch für Berlin, dass viele Berliner einen östlich klingenden Namen haben, und deshalb wählte ich einen slawischen Namen.

Die Fotos sind aus Fotoarchiven, und der Film, den er gemacht hat, ist aus der Kinemathek, zu der ich dank der Deutschen Film- und Fernsehakademie Zugang hatte. Eine Frau, die dort arbeitet, hat mir mehrere Filme herausgesucht, unter denen ich dann ausgewählt habe. Es gibt also keinen Fotografen, der die Fotos gemacht hat, und keinen, der diesen Film gemacht hat. Ich wollte einfach einen alten Mann, der sich mit dieser Stadt beschäftigt, einen, der schaut – mit alten oder auch mit neuen Augen – jedenfalls mit interessierten Augen. Im Hinterhaus, in dem ich in Berlin wohne, lebte ein Mann, der mit neunzig in seiner Wohnung umgebracht wurde. Ein alter, bescheidener Mann, der vielleicht einmal in der Woche seinen schönen Anzug angezogen hat, um Kaffee trinken zu gehen. Der Mord wurde sehr schnell aufgeklärt: Ein junger Mann, der ihm geholfen hatte, hat ihn auf ziemlich brutale Art und Weise erwürgt. In einer ersten Drehbuchfassung, wurde auch Kempinski ermordet.

FILMBULLETIN: Von wem?

ANKA SCHMID: Das war's eben, ich wollte, dass das offenbleibt, dass man sich beim Verlassen des Kinos fragt, wer hat ihn umgebracht, und ich wollte, dass alle möglichen Leute es getan haben könnten. Für mich wäre der Film auch mit einem Mord kein Krimi geworden. Wenn ich einen Mord zeige, dann ist das ziemlich alltäglich, denn es kommt leider sehr häufig vor – vorwiegend bei älteren Leuten. Aus der Überlegung heraus, dass es nicht gerade sinnvoll ist, wenn man sich bei diesem Film nur fragt: «Wer war es?», habe ich den Mord dann gestrichen. Jetzt stirbt Kempinski einfach, und man geht mit anderen Gedanken aus dem Film – man fragt sich vielleicht, welche Menschen man im Film kennengelernt hat.

FILMBULLETIN: Bist du mehr von einzelnen Figuren ausgegangen und hast, wie in einem Puppenhaus, mit ihnen gespielt und die Figuren entwickelt?

ANKA SCHMID: Genau. Eine alleinerziehende Mutter musste im Haus wohnen, das gibt es einfach tatsächlich sehr oft. Ich wollte zwei Teenies und wusste, das müssen zwei Schwestern sein, denn ich habe selbst zwei Schwestern. Weiter war klar, dass da eine WG drin sein musste – ich habe immer in Wohngemeinschaften gewohnt, lange mit Frauen zusammen – etwa mit Tania Stöcklin und mit einer Französin, die wirklich bei uns in der Küche so Französisch unterrichtet hat, wie es im Film gezeigt wird. Im weiteren wollte ich eine stärkere alte Frau, also diese Tante Hannelore, die so ihre Kompensationen hat, ihre kleine Fluchtwelt, eine ausgeflipptere Frau.

Ich habe auch, wie du sagst, sehr darauf geachtet, was man in einem Haus so alles hört – und du hörst in einem Haus schon so einiges. Vom Hören her findest du ganz andere Geschichten. Ich habe plötzlich gewusst, dass jemand im Haus Musik spielen muss. Bei Micha gab es beispielsweise noch eine Stepszene, die dann weggefallen ist. Ich habe immer gewusst, dass die Geräusche ganz wichtig sind. Im Hopi-Film merkt man das vielleicht nicht so stark, weil es mehr auf einer erzählerischen Ebene liegt, aber ich habe grosse Lust an der Tonverarbeitung, die ich etwas ganz, ganz Schönes finde: Bild und Ton gehören fest zum Film, nicht nur Worte, sondern auch Geräusche. Beim Schreiben hörst du natürlich noch mehr, du hörst vor allem die Klospülung, du hörst mal einen Streit ...

FILMBULLETIN: ... das Metronom und das Rauschen der Autos oder der sphärische Klang der U-Bahngleise

ANKA SCHMID: . . . genau, die UBahngleise sind auf die verschiedensten Arten aufgenommen, gemischt und verfremdet worden – vor allem in der Szene, in der die Bahn mehrmals vorbeifährt. Da wollte ich kein realistisches Geräusch.

Ich hatte auch grosse Lust, den Ton als eigene Ebene zu gestalten, die andere, zusätzliche Geschichten erzählt, die die andere Perspektive von «hinter verschlossenen Türen» zeigt – du bist ja nicht in der Wohnung, wenn du nur die Geräusche hörst.

Eigentlich hatte ich noch viele Ideen, aber die Szenen waren dann schon so kompakt, dass ich gar nicht mehr erzählen konnte, was gleichzeitig in den anderen Wohnungen passiert. Genau deshalb liebe ich auch den Nachspann so und höre jedesmal wieder zu. Es könnte einfach so weitergehen. Und wenn du dann später etwas hörst, dann kannst du wieder eine Geschichte erzählen. Am Schluss – ich bin immer froh, wenn das Licht noch nicht angeht –, dann hörst du «huiiiiii» das Wasser pfeifen, das höre ich sehr oft. Wenn du eine Idee hast, gibt es so eine Sensibilisierung während dem Schreiben.

Bei den Vorarbeiten zum Film habe ich mich auch noch mit sexueller Misshandlung von Kindern beschäftigt. Ich hatte in einer ersten Skizze auch eine Familie, wo es härter zuging. Dann merkte ich aber, dass ich diesen Film unbedingt einmal machen möchte, das Thema «sexuelle Misshandlung von Kindern in der eigenen Familie» aber nicht so schnell schnell, in zehn Minuten abgehandelt werden kann. Der Vater ist harmloser geworden und das Kind stärker – ein Kind, das sich wehrt und sagt, wo die Grenzen sind.

Hinter verschlossenen tueren

FILMBULLETIN: Das Kind ist ja erstaunlich selbstbewusst!

ANKA SCHMID: Ja, sie ist sehr keck geworden. Ich zeige die Utopie von einem Kind, das vor der Mutter «lass rnich!» sagt. Und es gibt auch gute Momente mit dem Vater, der immer zu Hause ist.

Es ist natürlich schwierig, sexuelle Misshandlung in einem Film umzusetzen. Wieweit kannst du jemandem die Möglichkeit geben, voyeuristisch zuzusehen? Wie kannst du es überhaupt drehen mit einem Kind – du musst das ja inszenieren! Ich hatte in einer Zwischenphase mal eine Szene, in der der Vater dem Kind beim Baden zuschaut und draussen onaniert. Da weisst du nicht, sollst du für eine solche Szene den echten Vater suchen, einem Kind, das keinen Knacks hat, einen Knacks machen . . . Da sind schon verschiedene Überlegungen notwendig, wie man so etwas realisieren kann. FILMBULLETIN: Die typische Frauenfrage: Macht es für dich einen Unterschied, dass du als Frau diesen Film gemacht hast? Und inwiefern?

ANKA SCHMID: Der Kempinski ist sehr wichtig für den Film, aber mathematisch gesehen leben mehr Frauen in diesem Haus als Männer. Es fällt nur nicht so auf, denn es war ja nicht die Absicht, ein Frauenhaus zu zeigen. Deshalb habe ich in der WG auch nur zwei Männer. Was auch klar ist: Die Kinder sind Mädchen.

FILMBULLETIN: Die zwei Teenager sind ja auch ein Stück Utopie, die sind ja enorm stark.

ANKA SCHMID: Die haben es gut zusammen. Trotz dem «Blöde Kuh» zwischendurch sind sie sehr miteinander vertraut, und das kenne ich einfach viel besser von den Mädchen. Natürlich ging ich von meinen Geschichten aus, die dann so weit verfremdet wurden, wie man will. Paula wollte ich zuerst als Opfer zeigen, und jetzt zeige ich ein keckes Mädchen, das sich wehren kann. Aber die Micha ist auch nicht eine, die sich sagt, mit denen muss man sich solidarisieren. Es sind also nicht nur utopische Frauengestalten in meinem Film . . . Herr und Frau Schulz. Herr Schulz ist natürlich für dieses Haus sehr wichtig, aber für mich war das immer die Geschichte einer Frau, auch wenn ich die Geschichte über den Mann erzähle. Ohne Partei zu ergreifen und zu behaupten, nur die Frauen sind gut: aber die Mädchen ... die sind schon stark. Aber auch normal, sie lesen das «Bravo».

FILMBULLETIN: Warum hast du den Film in Schwarzweiss gedreht?

ANKA SCHMID: Wenn jemand einen Film farbig dreht, fragt man nicht, warum. Es ist üblich. Eigentlich wäre aber auch die Farbe zu begründen. Ich mag Schwarzweiss sehr gern und habe diesen Film immer in Schwarzweiss gesehen. Von Anfang an. Ich habe gewusst, dass ich mich hier auf Menschen konzentrieren will, und hatte das Gefühl, wenn man so Wohnungen zeigt und man alles so sieht, wie man es kenn t, in dieser Buntheit, ist warscheinlich die Ablenkung einfach zu gross.

FILMBULLETIN: So, dass der Blick zu stark an der Abwaschbürste hängenbleibt?

ANKA SCHMID: Farbig erkennt man die Produkte sofort. Schwarzweiss ist eine Abstraktion vom ganz, ganz Normalen. Ausserdem habe ich vorher einen langen farbigen Dokumentarfilm gedreht, der ganz klar farbig sein musste. Da geht es um die Erde, um den farbigen Mais. Da geht es um Landschaften und um die Bauern in dieser Landschaft. Der neue Film war dann auch eine Reaktion darauf. Es hat aber nichts mit «trist» zu tun. Also nicht mit «schwarzweisser» und grauer Stimmung.

FILMBULLETIN: Keine Nostalgie?

ANKA SCHMID: Es ist hauptsächlich die Abstraktion, damit der Alltag nicht eins-zu-eins abgebildet ist, das war der Hauptgrund. Ich habe viel mit Giro Cappellari, meinem Kameramann darüber gesprochen, was man mit der Farbe erreichen kann. Es gab auch die Idee, dass man den einzelnen Wohnungen nicht nur Geräusche, sondern auch verschiedene Farbtöne zuordnen könnte. Kalte, warme, auch eine Stilisierung also. Man hätte mit Ausstattung, Kostümen und Lichteffekten arbeiten müssen, damit es genauso «nicht alltäglich» geworden wäre, aber dafür hatten wir einfach kein Geld. Deshalb blieb das mehr ein Gedankenspiel.

FILMBULLETIN: Ist die kleine Reverenz – «Die Farbfotografie war mein Untergang » –, die du mit der Figur von Kempinski der Schwarzweiss-Fotographie erweist, mehr als nur ein Nebengag?

ANKA SCHMID: Das ist schon eine Hommage an das «Andere Schauen». Das schnelle Knipsen einer einzigen Fotografie gegenübergestellt. Man macht ein Bild, oder man knipst einfach wild drauflos, und weil es farbig nach etwas aussieht, meinen alle, es sei richtig. Es ist ein Gag, aber es ist auch mehr.

FILMBULLETIN: Ist es ein Bild dafür, was du machen möchtest?

ANKA SCHMID: Genau. Wenn der Kempinski sagt, «die Farbfotografie war mein Untergang», heisst das auch: Jeder hat einen Fotoapparat und knipst einfach drauflos. Er ist aber jemand, der genau hinschaut.

FILMBULLETIN: Wie hast du die Darsteller gesucht, gefunden, und wie hast du mit ihnen gearbeitet?

ANKA SCHMID: Es sind zum grossen Teil Profi-Schauspieler. Ich inserierte: «Suche Darsteller von 8–88 Jahren für Abschlussfilm» und «gratis» stand auch noch im Inserat. Dreihundert Leute haben sich gemeldet, zweihundert davon sind ins Studio gekommen, und ich habe ein ganz grosses Casting gemacht. Durch dieses Casting konnte ich einige Rollen besetzen, die Dora, sie ist eine Schau spielerin für kleinere Rollen, den Philipp, der den Schwulen spielt, ein Schauspieler vom Schillertheater, der noch nie Film gemacht hat und sich deshalb auf ein solches Inserat gemeldet hat. Auch die wahnsinnig gute Sandra, die jüngere Schwester, habe ich da gefunden, Fortune, der Schwarze, und Micha. Aber eigentlich habe ich nicht viele gefunden. Es hatte unendlich viele junge Schauspielerinnen und Schauspieler, die einsteigen wollten; wenig Ältere und wenig Kinder. Bei den Kindern waren es mehr die ehrgeizigen Eltern, die ihre Kinder pushen wollten. Fortune ist zwar kein Schauspieler, aber den kenn ich. Er hat schon in verschiedenen Filmen gespielt, hat immer grosse Lust am Spielen und ist so ein richtiger Selbstdarsteller. Mein Aufnahmeleiter hat noch vierzig Jugendliche aus einer Disco mitgebracht, unter denen ich dann auch die zweite, ältere Schwester fand. Die andern Schauspieler habe ich über die ZBF, die Zentrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung der Bundesanstalt für Arbeit, gefunden. Da hatte ich dann auch Telefonate im Stil von: «Na, unter 2000 im Tag kommen wir gar nicht ins Gespräch».

FILMBULLETIN: Zur Finanzierung: Woher hast du für die Realisierung Geld bekommen?

ANKA SCHMID: Der Film ist auf 400 000 Mark kalkuliert. Ich hatte Leistungen von der Schule von etwa 100 000 Mark für Geräte, Schneideraum und Mischung und einen Abschlussfilmetat von 19 500 Mark. Bereits 1987 erhielt ich einen Förderpreis von 20 000 Franken von der Stanley-Thomas-Johnson-Stiftung, den ich sparte, weil ich einen langen Abschlussfilm machen wollte und wusste, dass das Geld nicht ganz reichen würde. Schliesslich hat das Fernsehen dann auch noch 30 000 beigesteuert. Der Film ist mit etwa 60 000 gemacht worden.

FILMBULLETIN: Wie beurteilst du im Rückblick die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin?

ANKA SCHMID: Ich habe wahnsinnig profitiert, weil ich alle Filme machen konnte, für die ich Ideen hatte. Ich musste nicht erst Geld dafür suchen, konnte Filme machen und dabei lernen. Ich hatte keinen Stress damit, dass ich diesen Film dann zeigen muss.

FILMBULLETIN: Die Schule als geschützter Raum?

ANKA SCHMID: Ja, obwohl es auch an der Schule schon einen Wettbewerb gibt, weil alle Schüler ihre Kurzfilme an die Festivals schicken, wo die einen angenommen werden und andere nicht. Ich hatte viel Glück mit meinen Kurzfilmen und weiss nicht, ob ich die hätte machen können ohne die Schule. Du brauchst eben viel mehr Geld, wenn du nicht an einer Schule arbeiten kannst. Dann habe ich viel bei anderen mitgearbeitet während der Schulzeit und auch dabei viel gelernt. Da darf dir auch einmal ein Fehler passieren, das liegt drin innerhalb einer Schulausbildung. Wenn da aber einer endlich seine 20 000 für einen Kurzfilm zusammen hat, ich wäre viel schüchterner, viel weniger (sie holt mit der Hand aus) «päg!» – aber vielleicht ist das auch nur so ein «Frauending».

Die Schule ist ein wichtiges Erfahrungsfeld. Von den Dozenten habe ich ganz wenig gelernt, weil ich Mühe habe, von jemandem zu lernen, der so gut und so gross ist. Ich habe immer gedacht, das muss ich selber lernen. Über die Kamera habe ich sehr viel von Giro gelernt. Bei Tania habe ich auch viel gearbeitet und sie bei mir. Da gibt es eine ständige Reibung, ein ständiges Gespräch .

FILMBULLETIN: Das heisst, du hast vor allem durch die Institution der Schule gelernt, weil sie dir die Möglichkeit gab, mit anderen zusammen Filme zu machen?

ANKA SCHMID: Genau, wobei das alles individuelle Filme, keine Gruppenfilme, sind. Wir haben nie gemeinsame Filme gemacht: Ich mache meinen Film, Giro macht die Kamera. Er kennt das Drehbuch, und er kennt meine Person, und so kann auch viel mehr in die Kamera einfliessen, das Engagement ist viel grösser.

Was für mich aber, abgesehen von der Schule, besonders wichtig gewesen ist, war der Hopi-Film. Ich habe die Schule verlassen, habe zwei Jahre auf den Luxus, Seminare besuchen zu können, verzichtet und habe dieses Paradies für einen anderen Film geopfert. Ich musste während dreier Jahre Geld suchen, musste durch die Ablehnungen hindurch, musste die Geräte selber in Los Angeles holen, musste, was sonst die Schule übernimmt, mit dem Labor verhandeln und reklamieren, habe so aber einige Erfahrung gesammelt.

Eigentlich hätte ich dieses Projekt gerne nach der Schule gemacht, aber es war so wichtig, und die Menschen waren so alt, dass ich nicht einfach zwei Jahre warten konnte, als ich angefragt wurde, ob ich das machen möchte. Einer ist schon zwischen den ersten Recherchen und dem Drehen gestorben. Als ich 1991 die Schule beendete, war es wichtig für mich, dass ich nicht nur die Schule gemacht hatte. Ich war froh, dass ich schon einen Film produziert hatte und weg von der Schule gewesen bin, dass ich das eigentlich alles schon einmal durchgemacht hatte – abgelehnt zu werden, damit musst du auch psychisch umgehen können.

FILMBULLETIN: Und wie siehst du deine unmittelbare Zukunft?

ANKA SCHMID: Ich habe soeben ein neues Projekt eingegeben, ein Liebesfilm, der ganz anders werden wird.

Das Gespräch mit Anka Schmid führte Sabina Brändli

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 4/1991 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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