Mitunter gibt es Wortspiele, die einem Rezensenten unwiderstehlich erscheinen. Dann ist Misstrauen angesagt: Tut man dem Film am Ende Unrecht nur um einer Pointe willen? Das ist oft ein Dilemma, aber selten ein Gewissenskonflikt. Ersparen wir uns also die Bemerkung, das betagte Darstellerensemble von Et si on vivait tous ensemble? liesse Daniel Brühl ganz schön alt aussehen. Halten wir stattdessen nur fest, dass seine Figur in diesem beinahe unwiderstehlichen Film das sechste Rad am Wagen ist.
Tatsächlich scheint sie eher den Notwendigkeiten einer deutsch-französischen Co-Produktion geschuldet als einer erzählerischen. In dieser [comédie dramatique] über eine Alters-WG fungiert der Austauschstudent Dirk als freundlich aufgeschlossener Delegierter des jüngeren Publikums (ein ganz ähnlicher erzählerischer Impuls, wie er aktuell auch in The Best Marigold Hotel greift). Der junge Deutsche mag sich, zunächst als Hundeausführer, sodann als Junge für alles, in dem Haushalt zwar unentbehrlich machen. Herzlich verzichtbar ist diese Aussenperspektive auf das Alter dennoch, denn Regisseur Stéphane Robelin gibt sich ohnehin schon alle erdenkliche Mühe, den Zuschauer zum Komplizen seiner in die Jahre gekommenen Protagonisten zu machen.
Die Freunde Albert, Annie, Claude, Jean und Jeanne sind ein überaus kregles Quintett, müssen sich allmählich jedoch der Erkenntnis beugen, dass sie allein nicht mehr so gut zurechtkommen wie früher. Selbst der unermüdliche Satyr Claude muss Konzessionen an die Hinfälligkeit machen, und der beharrlich erregbare Anarchist Jean hat schwer daran zu tragen, dass die Polizei heute lieber jüngere Demonstranten in Gewahrsam nimmt. Albert ringt wacker mit der Demenz; seine Frau Jeanne zieht es vor, ihm ihre schwere Krankheit zu verschweigen. Da das Seniorenheim für die muntere Bande nicht in Frage kommt, schlägt Annie das Zusammenleben in ihrer Villa als die würdevollere Alternative vor. Die unverdiente Ortlosigkeit, das zentrale Problem, das die klassischen Filme über das Altern wie Leo McCareys Make Way For Tomorrow, Yasujiro Ozus Tokyo monogatari und Paul Mazurskys Harry And Tonto aufwerfen, ist mit einem Schlag gelöst. Auf dem Kaminsims der Vorstadtvilla muss Platz geschaffen werden für die Familienfotos der lebenslang vertrauten Neuzugänge.
Annies mediterraner Lebensklugheit ist gleich noch eine weitere, nutzbringende Neuerung zu verdanken: Pragmatisch argumentiert sie, der sicherste Weg, seine Enkel häufiger zu sehen, sei es, einen Swimmingpool anzulegen. Die Frauen sind ohnehin reifer in diesem Film; was auch ein Gradmesser dafür ist, wie sehr er zu gefallen sucht. Robelin weiss, dass er sich auf heiklem Erzählterrain bewegt. Er will um keinen Preis Fehler begehen. Dieses Wohlmeinen sollte man allerdings nicht mit sicherem Taktgefühl verwechseln. So legt er einen barmherzigen Weichzeichner über die Härten des troisième age und entlockt ihnen Momente liebevollen Slapsticks. Die Wehmut ist wohldosiert, die Ausgelassenheit obsiegt. Ein Lebensmoment, der in Resignation münden könnte, wird triumphal verwandelt in einen Neuanfang, der organisiert sein will und auch eine Chance darstellt, mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen. Die Wendungen des Drehbuchs sind betulich eingefädelt – zumindest ein Todesfall ist in dieser Erzählkonstruktion unvermeidlich –, sein Ende bleibt in einer hübschen Schwebe. Die Figuren legte Robelin als wohlwollende Karikaturen an. Seine Darsteller, vor allem der bewegend unsentimentale Pierre Richard, veredeln sie mit dem gut geölten Instinkt von Boulevard-Veteranen. Man muss jung geblieben sein, um das Altern zu spielen.