Filmbulletin Print Logo
Bad Boys Ride or Die 2
© Sony Pictures

Schwere Jungs menscheln in Bad Boys: Ride or Die

Der vierte Teil pfropft Melodrama auf eine Reihe, die von überkandidelten Knalleffekten und dem Charisma von Will Smith und Martin Lawrence lebt.

Text: Marco Neuhaus / 05. Juni 2024
  • Regie

    Adil & Bilall (Adil El Arbi, Bilall Fallah)

  • Buch

    Chris Bremner, Will Beall

  • Kamera

    Robrecht Heyvaert

  • Darsteller:innen

    Will Smith, Martin Lawrence, Vanessa Hudgens

In Michael Bays zwei Bad Boys-Filmen galt ein Schema: Martin Lawrence spielt den Pantoffelhelden-Cop Marcus; zweifelnd, nörgelnd, Familienvater und sexuell frustrierter Ehemann. Will Smith ist der reiche Adrenalinsüchtling und Playboy Mike, der aus reiner Passion für das Miami Police Department arbeitet; ihn reizen Sex, Geschwindigkeit und Gewalt.

Ein Scherz, der sich in den Filmen wiederholt, basiert darauf, dass Mike dem zögerlichen Marcus beibringen muss, wie man es «richtig macht»: schneller fahren, früher schiessen, unbefangener töten.

Ohne viel Federlesens erlegen die schelmischen Bullen ausländische Grosskriminelle, die ihre Heimstatt mit Drogen beliefern, mit einem body count, den sonst nur Kriegsfilme hinkriegen und mit dem die Figuren in Bays Filmen prahlen. Sie verwüsten Landstriche, bewähren sich aber als Vollstrecker der Obrigkeit. Hunderte sind tot, aber in Miami gibt es dafür weniger Ecstasy. Bays Filme gehören zu den reaktionärsten, aber in ihrer durchgetaktet maximalistischen Inszenierung auch fulminantesten und unterhaltsamsten Mainstream-Actionfilmen ihrer Zeit.

Ab 2020 hat das Regieduo Adil & Bilall die Reihe übernommen. Seit Bays Filmen hat sich Einiges getan. Bays Bad Boys II etwa passt mit seinem Triumphalismus der Gewalt in die Ära von George W. Bush: Amerika kennt seine Feinde, haut sie in die Pfanne und hat dabei ein sensationelles Gaudi. Solche Gewaltlust leistet man sich heute nicht mehr. Brutalität ist immer noch Allheilmittel, aber man veranstaltet sie ungern, zerrissen und mit schwerem Gemüt.

Bad Boys Ride or Die 1

© Sony Pictures

Der Polizeiberuf taugt als Motivation im Drehbuch nicht mehr, daher hat man in Teil 3 dem ewigen Junggesellen Mike einen bislang unbekannten Sohn angedichtet: Jetzt wird’s persönlich und melodramatisch– damit hat man Indiana Jones und Bond in Dringlichkeit getränkt, um den Franchises neuen Schwung aufzuherrschen.

Ermogelte Tiefe: Jetzt ist Smith ein tragischer Held und Lawrence sein Comedy Relief. Aber so ist Smiths Figur umgestülpt, vom überschwänglichen Wüterich zum gegrämten Zweifler. Gewalt geht heute um den Preis von Sentimentalität. Man kann über Bays Filme sagen, was man will: Mit Ausredenklauberei haben sie keine Zeit vertan.

In Teil 4 nun müssen die beiden herausfinden, ob ihr verstorbener Chief korrupt war. Sie geraten selbst in Verdacht und flüchten, um die wahren Hintermänner dingfest machen. Dabei werden sie von einem jüngeren Team begleitet, das den generationalen Staffelwechsel darstellt, aber blass bleibt und kaum zu tun hat. Doch der Film tut zu lange so, als käme es drauf an. Adil & Bilall spekulieren darauf, dass sie die langjährige Lust an Smiths und Lawrences komödiantischem Tempo und ihrem präzisen Rapport als Verbundenheit mit den Figuren und ihrem Schicksal weiterverwerten können.

Die Action verneigt sich dabei vor Bay, macht Anleihen bei seinen überkandidelten Kamera-Tics, aber speist auch die stromlinienförmige, rhythmische Kampfkunst von John Wick ein. Das ist rasant und tüchtig umgesetzt, auch wenn das Geld anscheinend nicht mehr für den hanebüchenen Exzess von Bad Boys II vor über zwanzig Jahren reicht.

Der Film kommt nicht an die Beherrschung von Raum, Körper, Geschwindigkeit und Gefahr heran, die man z.B. bei George Miller, James Cameron oder John McTiernan erleben darf. Dennoch nimmt er sich in Sachen Flüssigkeit, Schnitt und Choreografie der Actionszenen neben den Superheld:innenfilms der letzten Jahre fast wie eine Oase der Virtuosität aus. Bad Boys: Ride or Die wäre ein besserer Film, wenn er sich auf diese Kompetenzen verlassen würde, statt sich selbst mit sachfremdem Melodrama zu hemmen.

 

Weitere Empfehlungen

Kino

23. Okt. 2019

Terminator: Dark Fate

Der neue Terminator-Film ist der drittbeste der Serie – immerhin. Dennoch lohnt es sich, die Figuren eher als ihr Handeln in den Blick zu nehmen.

Kino

20. Dez. 2019

6 Underground

Der Gegenschuss aus dem Inneren des Fleisches. Michael Bay verwandelt alles Sichtbare in Kinomaterie.

Gale Anne Hurd

04. Aug. 2021

«Ich war schockiert, als Terminator ein Erfolg wurde»

Gale Anne Hurd gehört seit den Achtzigern zu den grossen Namen Hollywoods. Am Locarno Film Festival wird die Produzentin gerade mit dem «Premio Raimondo Rezzonico» geehrt – Anlass für uns, uns mit Hurd über ihre Karriere zu unterhalten.