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Die ungesühnten Verbrechen des Patriarchats

Die Protagonisten des Subgenres «White-collar Crime» sind kriminell und bewundernswert zugleich. Die Filmwelt spürt diesen Finanzgangstern immer wieder nach und stellt damit unseren moralischen Kompass auf die Probe.

Text: Michael Kuratli / 11. März 2020

«Hören Sie auf zu grübeln, sie deprimieren mich», sagt Ulrich Tukur alias CEO Hans-Werner Brockmann in Sabine Boss’ Jagdzeit nach einem peinlichen Auftritt vor Investoren. Der Adressierte ist sein Finanzchef Alexander Maier. Doch Maier, gespielt von Stefan Kurt, grübelt weiter, stolpert über Zahlen, die nicht stimmen, stemmt sich gegen seinen skrupellosen Chef und steht am Ende mit dem Rücken zur Wand. Letzteres ganz konkret in einer Jagdsimulation in seinem Keller, ein roter Ziellaser auf seiner Stirn, ein Selbstauslöser in seiner Hand. Der Film dreht sich von Anfang bis Ende um die Frage nach der Moral in einer Welt, in der ein paar wenige Menschen mit ihren Entscheidungen Millionen verschieben und damit über das Schicksal von Tausenden entscheiden.

Überfällig könnte man den neuen Film von Sabine Boss nennen. Endlich hat auch die Schweiz seinen Krimi über die Abgründe der Finanzbranche. In Hollywood gehört das Subgenre des Kriminalfilms über die Finanzverbrechen von Herren in Anzügen und weissen Hemdkrägen spätestens seit den Achtzigerjahren zum Repertoire. Ronald Reagan sass damals im Weissen Haus, der Raubtierkapitalismus wurde mit dessen neoliberaler Politik entfesselt, und das Kino gewann einen neuen Typ Antiheld, ikonisch verkörpert von Michael Douglas als ruchloser Gordon Gekko in Wall Street. Den White-collar Crimes, den Verbrechen der Investmentbanker und Versicherungsmanagern, spüren aufwendige Produktionen seither in regelmässigen Abständen nach. Und stets werfen sie Fragen nach Recht und Unrecht, Schuld und Sühne auf, in der Absicht, ein empörtes Publikum zu hinterlassen.

Den ganzen Essay können Sie in der Printausgabe von Filmbulletin lesen: Ausgabe 2/2020 bestellen

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 2/2020 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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