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Die fruchtbaren jahre sind vorbei 06 michele rohrbach

Die fruchtbaren Jahre sind vorbei

Die Grobkomik ist eine Kunst, die man erst einmal beherrschen muss. Natascha Bellers erster Kinolangfilm zeigt, dass auch in der Schweiz flott inszenierte Mainstreamkomödien über das Paarungsverhalten geschlechtsreifer Grossstadtbewohner_​innen entstehen können.

Text: Andreas Scheiner / 29. Juli 2019

Alle mal herhören. In der Babyabteilung steigt die kinderlose Singlefrau Leila auf den Ladentisch und verkündet laut und trotzig: «Ich, Leila Emilia Leona Tanner, werde Mami. Ich bekomme ein Kind, einen Mann und eine Katze. Vielleicht sogar zwei Katzen. Und ein Haus mit Garten und Apfelbaum. Ich gründe eine Familie, meine eigene Familie.» Sie ballt die Faust zum Himmel wie «Braveheart» William Wallace, bevor er in die Schlacht zieht, und leistet einen Schwur: «Vor meinem 35. Geburtstag werde ich schwanger sein.» Darauf regnet es goldene Konfetti.

Nur, der Geburtstag steht schon vor der Tür. «Man findet doch nicht in drei Wochen einen Mann, der Kinder will», gibt ein junger Vater zu bedenken. «Meinen Ex habe ich in drei Sekunden aufgerissen», kontert Leila. Das war vor acht Jahren. Im Ausgang lernte sie von ihrer besten Freundin Sophie den Dreisekundentrick: Man brauche einem Typen nur drei Sekunden in die Augen zu schauen, dann spreche der einen an, erklärte diese. Und sie beschwichtigte die schüchterne Freundin: «Du musst den Typen ja dann nicht gleich heiraten.»

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Geheiratet wurde zwar nicht, aber acht Jahre später liegt die Sekundeneroberung immer noch neben Leila im Bett. Die Beziehung ist allerdings eingeschlafen. Also setzt Leila dem laschen Kerl ein Ultimatum: Wir machen ein Kind oder Schluss. Damit, dass der andere einen Abgang macht, hat sie nicht gerechtet. Nun kuschelt Leila traurig mit dem Schlafanzug ihres Exfreunds und träumt vom Familienglück. Beim Speeddating trifft sie nur Freaks, die ihre Phobien ausbreiten: Klaustrophobie, Arachnophobie, «Us-und-vobie». Und die Ü-30-Party besuchen entweder alte Menschen mit Gehhilfe oder Aufschneider. Besonders lustig ist ein Auftritt des iranisch-schweizerischen Schauspielers Alireza Bayram, der sich als Hollywoodstar aufspielt. «Ich war in Homeland, ich bin Alireza Bayram. Vielleicht hast du mich auch in einem Tatort gesehen, im Frankfurt-Tatort, im fränkischen Tatort …»

Auch die Freundin Sophie sucht einen Mann, auch sie bereut drei Sekunden vor acht Jahren: Der Typ, den sie sich angelacht hat, erwies sich als eine ähnliche Enttäuschung, die gemeinsame Tochter, Resultat des Flirts, muss Sophie nun allein grossziehen. Als sie sich in einen Lehrer verliebt, weiss sie nicht, dass Leila ein Auge auf denselben geworfen hat. Das Zerwürfnis ist vorprogrammiert. «Die Singlewelt ab dreissig ist Krieg», heisst es an einer Stelle. «Man muss erobern und nicht verlorenen Schlachten nachtrauern.»

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Die fruchtbaren Jahre sind vorbei erzählt von Frauen über dreissig und ihren Nöten. Neben dem paarungswilligen Single und der alleinerziehenden Mutter komplettiert eine Karrierefrau die Runde: Leilas Schwester Amanda, die ein Kind erwartet. Dabei will die ehrgeizige Architektin eigentlich gar keins, sondern lieber «grosse, prachtvolle Gebäude bauen». Die Schwangerschaft steht dem Beruf im Weg, im Architekturbüro droht Amanda die Ausbootung.

Regisseurin Natascha Beller beweist einen flinken Umgang mit diesem Dreizack aus Weiblich-und-über-dreissig-Problemen. Man muss die Sorte Klamaukfilm mögen, aber publikumswirksam ist dieser auf alle Fälle. Debütantin Beller, die auch Autorin der SRF-Late-Night-Show «Deville» ist, beherrscht ihr Handwerk. Unterstützt von Benjamin Fueter (Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse), der als Editor aufgeführt ist, hält Beller das Tempo hoch, und sie zeigt keine Scheu vor dem Grobkomischen.

Mit «broad comedies» hat sich in der Schweiz noch selten jemand hervorgetan; hier findet die junge, sich an US-amerikanischen Komödien orientierende Filmemacherin – nach dem Studium an der Zürcher Hochschule der Künste hat sie ein Drehbuchstudium in New York angehängt – eine Marktlücke. Dass der Stoff doch etwas überraschungsarm geraten ist und sich das heteronormative Wohlstandsprobleme-Wälzen über neunzig Minuten erschöpft, macht Beller mit inszenatorischem Witz wett. Da schaltet sich schon mal der Radiowecker ein und kommentiert Leilas Lamento trocken im Serviceton: «Verkehrsinfo: Ein Geschlechtsverkehr hat nicht stattgefunden, die Datingsituation ist weiterhin stockend.»

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 5/2019 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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