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Das Alphorn

Schwietert bewegt sich als sensibler Beobachter zwischen den Fronten und betreibt in Das Alphorn eine solide recherche culturelle. «Musik der Alpen» lautet der Untertitel seines Films und verweist auf Künftiges wie auf Vergangenes.

Text: Irene Genhart / 01. Sep. 2003

Für die einen ist das Alphorn gleichbedeutend mit altbackener Tradition. Für andere steht es, ähnlich wie Käse, Schokolade und Swatch, als Wahrzeichen für die Schweiz. Die Dritten wiederum sehen in dem einige Meter langen Holzrohr, mittels dessen sich so wunderschön untemperierte Musik machen lässt, ein Weltmusik-Instrument, das die Avantgarde derzeit gerade am Entdecken ist. Das sind drei Extrempositionen, die sich bezüglich des Alphorns einnehmen lassen. Sie finden sich im Schweizer Musikfilm Das Alphorn. Als dessen Regisseur zeichnet der aus Basel stammende Stefan Schwietert. Schwietert bewegt sich als sensibler Beobachter zwischen den Fronten und betreibt in Das Alphorn eine solide recherche culturelle. «Musik der Alpen» lautet der Untertitel seines Films und verweist auf Künftiges wie auf Vergangenes. Auf Schwieterts frühere Musikfilme A Tickle in the Heart und El acordeón del diablo, aber auch auf eine Reihe noch kommender Filme, in denen sich der Regisseur nach eigenen Angaben mit dem Phänomen «Alpenmusik im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne» noch weiter auseinandersetzen will.

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Das Alphorn beginnt entzückend kitschig mit einer «fiktiven Rückblende»: der im «Züricher Kalender aufs Jahr 1874» zu findenden und im Film auch im Bild umgesetzten Sage «Wie das Alphorn in die Welt kam». Von der Begegnung eines Sennenbuben mit drei seltsamen Käsern ist da die Rede. Davon, dass das Alphorn dem Sennenbuben geschenkt wurde. Später wird erklärt, dass man über die Herkunft des Alphorns nichts genaues weiss, ausser dass es die Hirten als «Werkzeug» gebraucht hätten, um ihre Kühe zusammenzurufen. Flockig eingestreut finden sich solche Anekdoten, Legenden und Histörchen in Schwieterts als Tour d’horizon durch die heutige Alphornmusik angelegtem Film. Der Schwerpunkt des Films liegt indes da, wo sich Folklore und Tradition unter der Hand kreativer Künstler in die Moderne einschreibend zur Avantgarde werden und in die Zukunft weisen. So begegnet man in Das Alphorn dem zeitgenössischen Komponisten Hans-Jürg Sommer, der vor zwanzig Jahren wegen den in seinen Alphornkompositionen verwendeten Naturtonreihen noch angefeindet wurde, dessen «Kuhreihen» oder «Tanz der Kälber» heute aber bereits als Klassiker gelten. Oder dem Innerschweizer Jazzer Hans Kennel, der nicht nur das Alphorn, sondern auch den Büchel und den untemperierten Gesang der vom Sihlsee stammenden Schönbächler Schwestern für seine Jazzstücke entdeckte. Und als Jungspund im Klub der Alphorn-Avantgardisten Balthasar Streiff, der mit seiner 2001 gegründeten Gruppe «hornroh» heute an urbanen Stätten unerschrocken mehrtönige Alphornaufzüge präsentiert und das Alphorn so zum Kult-Instrument macht.

Das Alphorn ist virtuos geschnitten und überzeugt durch seine feinfühlig verschmitzte Fügung von Bild und Ton, die sich dann zeigt, wenn Schwietert den «Tanz der Kälber» mit über eine Wiese tollenden Rindern für Nichtlandwirte anschaulichst illustriert. Schwieterts grösste Stärke aber ist die gelassene Unvoreingenommenheit, mit der er die Anliegen der Avantgardisten mit denen der Folkloristen koppelt und damit dem Fakt Rechnung trägt, dass zum vollständigen Bild des Alphorns auch der vom Jodlerverband auf Tournee geschickte Alphornbläser Urs Pattscheider gehört, der auf Pilatus Kulm per Exempel zeigt, wie man Touristen Schweizer Folklore nahe bringt.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 3/2003 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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