Immer wieder bewegt sich die junge Huck in Julio Hernández Cordóns Cómprame un revolver durch die offene Landschaft der mexikanischen Wüste. Die Kamera folgt dabei den raschen Bewegungen des Mädchens und muss sich darum ihren Pfad auch immer wieder ruckartig dem unvorhersehbaren Laufweg des Kindes anpassen. Das Ziel, das Huck vor Augen hat, ist eines, das sich der Kamera offenkundig nicht erschliesst, es ist nicht in der äusseren, sichtbaren Gestalt der Welt zu suchen, sondern wird von einem unzugänglichen inneren Impuls vorgegeben. Die Spannung dieser Einstellungen besteht darin, dass die Kamera beständig versucht, die eigenen Bewegungen mit denen des Kindes zur Deckung zu bringen – ihre Tragik besteht darin, dass ihr das nie ganz gelingt. Damit wird die grundlegende Zerrissenheit sichtbar, die alle Filme über das Kindsein kennzeichnet: Man kann sich dem kindlichen Blick auf die Welt zwar annähern, wirklich einnehmen kann man ihn aber nicht.
Diese Welt, auf die sich der kindliche Blick in Cómprame un revólver richtet, ist von äusserster Brutalität geprägt: In einem undatierten, dystopischen Mexiko, das vollständig von Drogenkartellen kontrolliert wird, lebt Huck zusammen mit ihrem Vater mitten in der Wüste. In dieser von Gewalt bestimmten Gesellschaft herrscht ein akuter (und nie erklärter) Frauenmangel, und die wenigen Mädchen, die es noch gibt, leben ständig in der Gefahr, von den Kartellen verschleppt zu werden – weshalb sich Huck nur als Junge verkleidet ins Freie wagt und auch ihr Gesicht, sicher ist sicher, meistens hinter einer Maske versteckt. Cordón entwirft somit eine alternative Realität, die allerdings nur wenig von der eskalierenden Gewalt und der Brüchigkeit staatlicher Strukturen im gegenwärtigen Mexiko entfernt ist.
Doch in die Konstruktion dieser Allegorie investiert Cómprame un revólver allzu viel Energie – und allzu wenig Genauigkeit. So übervoll ist der Film mit Verweisen und halbfertigen Ideen, dass man irgendwann nicht mehr weiss, worauf es ihm eigentlich ankommt und mit welchen persönlichen Dramen oder gesellschaftlichen Spannungsfeldern er sich wirklich auseinandersetzen will. Eine Bande allein in der Wüste lebender Kinder, ein Kartellboss mit offener Geschlechteridentität, das scheinbar vererbbare «Glück» von Hucks Vater – all diese Figuren und Entwicklungen werden in Cómprame un revólver zunehmend hastig und unterschiedslos aneinandergereiht. Ein zunächst unscheinbares Detail fasst die frustrierende Sprunghaftigkeit des Films zusammen: In der gesetzlosen Wildheit, in der vermeintlich alle gesellschaftlichen Strukturen zusammengebrochen sind, zückt einer der Banditen plötzlich ein Handy, um ein Foto an seine Freundin zu verschicken. Nun hätte dieser Moment eine interessante Brechung sein können, ein Hinweis darauf, dass die irreale Mad Max-Welt, die uns der Film zeigt, durchaus innerhalb eines grösseren Staatsgefüges existiert, in dem es so was wie Handymasten und Datenempfang gibt. Doch der Film scheint sich des abrupten Richtungswechsels seiner eigenen Inszenierung gar nicht bewusst zu sein, er entwickelt dieses Motiv nicht weiter, sondern wendet sich umgehend dem nächsten Einfall zu.
Verschenkte Momente wie dieser häufen sich in Cómprame un revólver mehr und mehr – bis irgendwann auch die innige Beziehung zwischen Huck und ihrem Vater nicht mehr ausreicht, um den Film zusammenzuhalten. So beschränkt sich die Wirkung von Cordóns Film auf einige isolierte Bilder, die es schaffen, aus dem allegorischen Korsett der Erzählung auszubrechen: eine Reihe an Pelikanen etwa, die stumm und reglos am Ufer eines trägen Flusses Spalier stehen, oder das satte Grün eines künstlich bewässerten Baseballfelds inmitten der kargen Landschaft der Wüste. Dieses diamantförmige Feld, das so gar nicht in die überlebensfeindliche Umgebung passen will, führt dann doch noch zu einer plötzlichen Spiegelung von Kinder- und Erwachsenenperspektive: Ob argloses Kind, überforderter Vater oder brutaler Kartellsoldat, sie alle wollen irgendwann nichts weiter, als ein paar Bälle zu schlagen. Auch die härteste Lebensrealität, so macht Cordóns Film deutlich, ist nicht imstande, den menschlichen Spieltrieb ganz abzutöten.