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Carol

Patricia Highsmiths «Carol» ist die Geschichte einer «ungewöhnlichen Liebe», die, noch ungewöhnlicher für die damalige Zeit, in ein Happy End mündet. Todd Haynes verfilmte nun den Roman, basierend auf dem Drehbuch von Phyllis Nagy, welche die 1995 verstorbene Highsmith persönlich gekannt und das Script rund fünfzehn Jahre lang mit sich herumgetragen hatte.

Text: Doris Senn / 16. Dez. 2015

«Der Einfall zu diesem Buch kam mir Ende 1948», schrieb Patricia Highsmith in späteren Jahren. Sie hatte Ende der Vierziger gerade ihren ersten Roman, «Strangers on a Train», beendet und wartete auf dessen Veröffentlichung. In der Zwischenzeit jobbte sie in der Spielzeugabteilung eines New Yorker Warenhauses, genauer gesagt in der Puppenabteilung. Und ebendort tauchte eines Morgens eine schöne, blondhaarige Frau im Pelzmantel auf, die Highsmith ebenso in Bann schlug wie Therese Belivet, Highsmiths Alter Ego im Roman «Carol».

Todd Haynes verfilmte nun den Roman, basierend auf dem Drehbuch von Phyllis Nagy, welche die 1995 verstorbene Highsmith persönlich gekannt und das Script rund fünfzehn Jahre lang mit sich herumgetragen hatte. Der Film bleibt dem Ursprungstext treu – mit der Ausnahme, dass Thereses Passion nicht wie im Buch dem Bühnenbild gilt als vielmehr der Fotografie, was als Hommage an die Fotografinnen jener Jahre gelesen werden kann, die als Vertreterinnen der New Yorker Strassenfotografie mit ihren Bildern die filmische Adaption mit inspirierten.

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Therese – brillant verkörpert von Rooney Mara (The Girl With the Dragon Tattoo), die dafür in Cannes ausgezeichnet wurde – trifft demnach als scheue Warenhausverkäuferin auf die mondäne Carol, die für ihre kleine Tochter ein Weihnachtsgeschenk sucht. Die beiden treffen sich wieder, und die Faszination und Anziehung zwischen der jüngeren, leidenschaftslos mit Richard verlobten Therese und der in Scheidung stehenden älteren Carol verwandelt sich in fühlbares erotisches Knistern. Während Cate Blanchett noch vor Haynes für den Film verpflichtet worden war, kam Rooney Mara nach einer anfänglichen Absage erst auf Nachhaken Haynes’ mit dazu. Beide laufen in ihren Rollen zu Hochform auf: Cate Blanchett als bildschön-extravagante, aber auch etwas unnahbare und dennoch kompromisslos für ihre Liebe einstehende Carol – Therese als eher zurückhaltend-schüchterner Gegenpart wird sich eher vorsichtig ihrer Gefühle bewusst, um diese dann aber nie infrage zu stellen.

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«Carol» ist die Geschichte einer «ungewöhnlichen Liebe» – so der Untertitel der deutschen Buchausgabe –, die, noch ungewöhnlicher für die damalige Zeit, in ein Happy End mündet. Lesbische Liebe war ein Tabuthema. Und so verwundert es nicht, dass die Verleger, die Highsmiths ersten Krimi herausgaben, das Buch ablehnten, während ihre Agentin sie dazu drängte, das Buch unter einem Pseudonym herauszugeben. So erschien es unter dem Namen Claire Morgan und dem Titel «The Price of Salt» – und wurde zu einem Verkaufsschlager! Vom 1953 erschienenen Taschenbuch verkaufte sich rund eine Million, und die Autorin wurde mit Fanpost geradezu überhäuft, insbesondere von Schwulen und Lesben, wie sie 1990 schrieb, als sie das Buch schliesslich doch noch unter eigenem Namen und dem Titel «Carol» neu auflegen liess.

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Dass für den Film, der eine fast zwei Jahrzehnte lange Produktionsgeschichte hat, Todd Haynes als Regisseur verpflichtet wurde, kann als «perfect match» bezeichnet werden. Er hat sein grosses Talent für die historischen Dramen aus jüngerer Zeit bereits mehrfach bewiesen. So rekonstruierte er etwa die Zeit des Siebziger-Jahre-Glamrock mit Velvet Goldmine, er schuf ein Fünfziger-Jahre-Melodram mit Far from Heaven sowie die experimentelle Bob-Dylan-Biografie I’m Not There – mit Cate Blanchett in der Hauptrolle. Mit seinem Kameramann Ed Lachman, der nebst Haynes auch mit Ulrich Seidl, Robert Altman, Steven Soderbergh oder Sofia Coppola gearbeitet hatte, liess er das New York der damaligen Zeit in Cincinnati (Ohio) wiederauferstehen. Das exquisite Kostümdesign und eine dezent glanzvolle Ausstattung von Sandy Powell und Judy Becker lassen uns in die matten Pastellfarben – Tannengrün, Goldgelb und Altrosa – jener stilvollen Zeit eintauchen. Ein Augenschmaus!

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 8/2015 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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