Brooklyn, New York. Das ist seit Jahrzehnten im Kino kein gutes Pflaster für Polizisten, und ausnahmsweise ist es in Wirklichkeit nicht anders. Hier verkleidete sich Popeye Doyle als Weihnachtsmann, um Drogendealer zu verhaften; hier, zwischen den Backsteinhäusern, ist alles schmutziger, lauter und hysterischer als in Manhattan auf der anderen Seite der Brooklyn Bridge.
Das geseufzte «twenty years of days», mit dem der Streifenpolizist Eddie wenige Tage vor seiner Pensionierung seine abgelaufenen Dienstjahre kommentiert, sagt schon alles darüber, wie hier ein halbes Leben im Auftrag des Gesetzes verbracht wurde. Als morgendliches Ritual kippt Eddie im Bett sitzend einen Drink und schiebt sich danach die Waffe in den Mund. Ein leises Klicken und – noch einmal macht er sich auf den Weg zur Arbeit.
Antoine Fuqua, einer der wenigen erfolgreichen schwarzen Mainstream-Regisseure, gilt seit dem Cop-Thriller Training Day (2001) als versierter Connaisseur des Genres, und tatsächlich schöpft er auch in Brooklyn’s Finest aus dem einschlägigen Repertoire an Motiven und Situationen des Polizeifilms. Da findet sich neben dem abgewrackten Eddie noch der Familienvater Sal, der wirklich alles tut, um seiner asthma-kranken Frau und den Kindern ein neues Haus zu kaufen; und da ist noch Tango, der als schwarzer Undercoverpolizist ins Drogenmilieu eingeschleust wurde und dem die Situation zunehmend ausser Kontrolle gerät.
Doch nicht diese unkontrollierten und unkontrollierbaren Figuren, ihre Handlungen und ihr psychischer Zustand finden hier zu einer neuen Form, sondern der Rhythmus der Erzählung. Brooklyn’s Finest, der mit seinen nicht-linearen Handlungssträngen zunächst nur als weiteres Exempel des manierierten Verschachtelungskinos gelten könnte, entwickelt mittels seiner drei Hauptcharaktere – jeder ein Grenzgänger auf seine Art – buchstäblich eine Sogwirkung: Brooklyn’s Finest ist physisches Kino, das den ruhelosen Zustand, in dem sich seine Protagonisten befinden, in eine äussere Form überführt.
Sal, der Katholik und Vater, stürmt als Mitglied einer Spezialeinheit die Verstecke der Drogenbanden. Er trägt eine riesige Tätowierung auf dem Rücken, die den Erzengel Michael zeigt, den Bezwinger Satans am Tag des Jüngsten Gerichts. Doch bei der Beichte bittet Sal den Priester nicht um Vergebung, sondern fleht um Hilfe. Blut, Schweiss und Tränen sind in diesem Film nicht Ausdruck, sondern Antrieb.
Fuqua übersetzt diese Dynamik jedoch nicht in Bewegung suggerierende Reissschwenks oder stakkatoartige Schnittfolgen. Es sind vielmehr aggressive Körperhaltungen, hastige Dialoge und fieberhafte Blicke, die das Geschehen vorantreiben und die einzelnen Handlungen am Ende zusammenkommen lassen, während Fuqua erstaunlich souverän das Tempo seiner insgesamt kompakten Erzählung beibehält. Das macht Brooklyn’s Finest noch zu keiner Milieustudie, aber zu einem Thriller, der ausgezeichnet das Kräftespiel auf engem Raum beherrscht. Ständig sind die drei unterschiedlichen und durch ihr Polizistendasein doch einander verbundenen Männer unterwegs, streifen mit dem Wissen, dass es für sie keine zweite Chance gibt, durch die Lokale und die Strassen – bis sie am Ende zufällig zueinander finden und doch aneinander vorbei agieren. Doch mehr als dramaturgisches Schicksal ist das logische Konsequenz: In einem anderen psychischen und moralischen Zustand wären sie an diesem Ort gar nicht gelandet. Für eine Umkehr ist es natürlich zu spät. Brooklyn’s Finest endet konsequenterweise mit einem freeze frame, einer Grossaufnahme, welche die Bewegung einfriert. Die Ruhelosigkeit ist der Starre gewichen.