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Three billboards outside ebbing missouri szenen 01 mildred frances mcdormand

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Eine Frau mit einer Riesenportion Wut im Bauch. Frances McDormand hat für diese Rolle den Golden Globe Award erhalten, während der Film selbst als bestes Drama ausgezeichnet wurde.

Text: Pamela Jahn / 15. Jan. 2018

Frances McDormand lässt keine Zweifel aufkommen: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist ihr Film, von der ersten bis zur letzten Szene. Dafür sorgt sie mit einer Wucht und einer Präsenz, die seit ihrer letzten grossen und Oscar-gekrönten Hauptrolle in Fargo vor über zwanzig Jahren nichts an Brillanz eingebüsst hat. Im Gegenteil. Man muss sich nur ansehen, wie sie gleich zu Beginn des Films mit wilder Entschlossenheit und einer Prise John Wayne im Schritt ins Bild rückt, um zu wissen, mit wem man es hier zu tun hat. Als Mildred Hayes stellt sie sich diesmal der gemächlichen Ordnung in der titelgebenden amerikanischen Kleinstadtprovinz in die Quere, um für Gerechtigkeit zu kämpfen, ihre eigene und die allgemeine: resigniert, scharfkantig und mit einer Schlagfertigkeit bewaffnet, die mindestens genauso bezwingend ist wie ihr stählerner Blick. Dennoch spricht kein Hass aus ihren Augen. Wut schon, ein schwelender Zorn sogar, der sich, geschürt von Schmerz und Trauer und obendrein mit den eigenen Schuldgefühlen versetzt, ebenso jeder Rationalität zu entziehen scheint. Und trotzdem ist Mildred nicht die Art Rächerin, für die man sie allzu leicht halten könnte. Ihre Wut kommt eher aus dem Herzen als aus dem Bauch heraus – es ist die Verzweiflung einer Mutter, die nach Antworten sucht, wo andere längst aufgegeben haben, koste es, was es wolle.

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Wer über Three Billboards sprechen will, kommt also an Frances McDormand zunächst nicht vorbei. Ebenso wenig wie an den drei grossen, feuerroten Plakatwänden, die Mildred dazu nutzt, um ihrem Unmut gegen die Untätigkeit der lokalen Polizei Luft zu machen. Fast ein Jahr ist vergangen, seit ihre Teenager-Tochter Angela auf brutale Weise vergewaltigt und anschliessend ermordet wurde, und trotzdem fehlt bisher vom Täter jede Spur: «Raped while dying – and still no arrests – how come, Chief ­Willoughby?» ist deshalb die Frage, mit der sie dem verantwortlichen Polizeichef eine für alle Welt sichtbare Ohrfeige versetzt. Dass sie damit gleich den Groll der ganzen Gemeinde auf sich zieht, zumal Willoughby im Ort nicht nur ein angesehener Mann ist, sondern obendrein, wie allseits bekannt, an Krebs leidet, stört Mildred dabei herzlich wenig. Warum sollte es auch. Sein Leid lässt ihr Anliegen nach aussen hin nur noch dringlicher erscheinen.

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Tatsächlich gewinnt Mildreds Beharrlichkeit im Schlagabtausch mit den vergeblich an ihre Vernunft appellierenden Obrigkeiten in Martin McDonaghs exzellentem Film noch einmal eine ganz eigene, unberechenbare, zum Teil (selbst)zerstörerische Kraft, die lediglich für den Bruchteil einer Sekunde in einer der beklemmendsten Szenen des Films zum Stillstand kommt, als Willoughby mitten im Wort­gefecht mit Mildred genau im falschen Augenblick von seiner Krankheit eingeholt wird. Woody Harrelson gibt seiner Figur in diesem Moment alles und vor allem genau das richtige Mass an Verständnis und Charakterstärke, um die Situation nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Den überrumpelten Zuschauer_innen dagegen bleiben ein kurzer Schock und die erneute Gewissheit, dass in diesem Film nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, ja, er seine wahre Kraft erst aus der Wandelbarkeit zieht, mit der uns Handlung und Figuren ­permanent gegenübertreten. Spätestens jetzt dürfte allen klar sein: Three ­Billboards ist kein Rachedrama im herkömmlichen Sinn. So, wie der ganze Film zwischen den Gattungen changiert, wie er manchmal noch im gleichen Atemzug zwischen pechschwarzer Komödie, kühnem Thriller und schillernder Gesellschaftssatire die Farben wechselt, versucht man es am besten gar nicht erst, das Geschehen in einen mehr oder weniger engen Rahmen zu pressen. Denn am Ende müssen sämtliche Kategorisierungsversuche allein an den unzähligen feinen Zwischentönen scheitern, die der irischstämmige Regisseur und Autor seinem dritten Spielfilm immer wieder eingeschrieben hat. Einen Vorgeschmack darauf, wie leichtfüssig und trügerisch zugleich er mittels Sprache und eines eingeschworenen Schauspielerensembles zwischen Komödie und Albtraum zu wechseln versteht, hatte McDonagh bereits vor zehn Jahren in seinem gefeierten Erstlingswerk In Bruges gegeben. Three Billboards allerdings ist noch einmal von einem ganz anderen Kaliber, denn hier bestimmen neben allem Humor und bissigem Charme in erster Linie Tiefe und Mitgefühl in den Dialogen, wohin Mildreds Reise am Ende gehen wird.

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Und noch etwas fällt auf. Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Mildreds Seelenfrieden hat auch Officer Dixon, der brutalste und mit Abstand rassistischste unter Willoughbys Kadetten, den, als er schon ausgezählt am Boden liegt, doch noch ein Hauch von Menschlichkeit befällt, mit dem weder er selbst noch der Zuschauer_innen so richtig umzugehen wissen. Seine Entwicklung vom dumpfen Grossmaul zum gebrochenen Märtyrer ist vielleicht die erstaunlichste im ganzen Film. Aber nicht nur Dixon – gespielt von Sam Rockwell, der sich neben McDormand und Harrelson ebenso auf der Höhe seiner Form präsentiert – auch die anderen Nebenfiguren, selbst die scheinbar unbedeutendsten, sind bei McDonagh stets mit genügend Leben gefüllt, um die Handlung letztlich sicher auf ihr überraschendes Ende zuzusteuern.

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Was bleibt, ist Frances ­McDormand, ohne die es den Film wahrscheinlich gar nicht gegeben hätte. Denn McDonagh hat die Rolle mit ihr im Hinterkopf geschrieben, nachdem die sonst eher scheue Schauspielerin ihn bereits vor gut zwölf Jahren darum gebeten hatte, einmal einen Part für sie zu schreiben. Als der Autor sein Wort hielt und ihr schliesslich das Skript in die Hand drückte, lehnte die heute Sechzigjährige zwar zunächst dankend ab mit der Begründung, dass sie mittlerweile eher in dem Alter sei, Grossmütter zu spielen, liess sich am Ende aber doch noch überzeugen. Zum Glück, möchte man meinen, denn das nun vorliegende Ergebnis ihrer Zusammenarbeit ist zweifelsohne einer der besten Filme dieses Jahres – und ein Geschenk fürs Kino überhaupt.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 1/2018 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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