Spotlight, Scheinwerferlicht zu Deutsch – so heisst die Rechercheabteilung, die zur Redaktion des «Boston Globe» gehört und den ganz schwierigen Fällen investigativ nachspürt. Ein klug gewählter Name, denn mit dem gebündelten Licht wird der Brennpunkt des Interesses gezielt bestimmt. Doch mit der Konzentration auf einen Aspekt geht mitunter der Überblick verloren. Manchmal muss das Spotlight von aussen kommen und neue Sichtweisen eröffnen. Und genau hier setzt der neue Film von Tom McCarthy (Station Agent) nach einer wahren Geschichte ein: 2001 tritt Marty Baron, von Liev Schreiber in einer Mischung aus Zurückhaltung und Autorität, Klugheit und Zielgerichtetheit gespielt, seine Stelle als Chefredakteur des «Boston Globe» an. Kein Gewächs des Hauses, sondern ein Aussenseiter, der noch nicht einmal aus Boston kommt. Darum begegnen ihm die Redakteure zunächst mit Neid und Misstrauen. Doch gerade weil Baron so unvorbelastet auf die lokalen Verhältnisse schaut, nimmt er sie genauer (oder anders) in den Blick.
Als im «Boston Globe» eine vereinzelte, fast unbeachtete Kolumne über einen katholischen Priester erscheint, der zahlreiche Kinder missbraucht hat, wird Baron misstrauisch: Das soll die ganze Story sein? Da muss doch mehr dahinterstecken! Und so setzt er den Spotlight-Chef Walter «Robby» Robinson und seine Mitstreiter Michael Rezendes, Sacha Pfeiffer und Matt Carroll auf die Sache an. Schnell stossen sie auf die kuriose Tatsache, dass einige Priester schnell und unauffällig in andere Gemeinden versetzt wurden. Und nun zeigt Regisseur McCarthy, wie Journalisten arbeiten, ganz alltäglich und unspektakulär. Sie gehen raus auf die Strasse und putzen Klinken, sie sprechen mit Missbrauchsopfern und vergraben sich in Archiven, sie lesen alte Zeitungsberichte und stöbern verstaubte Gerichtsakten auf, für deren Nutzung sie, unverständlich genug, eine hochrichterliche Genehmigung benötigen. Dabei kommt auch Spannung auf, etwa, wenn das Gerichtsarchiv in Kürze schliesst oder eine überraschende Entdeckung neue Fährten legt. Die Suche nach der Wahrheit, die Echtheit der Fakten, wird so zum aufregenden Thriller, dem wegen dem Thema des Kindsmissbrauchs eine grosse moralische Dimension zukommt. Zwei Schwerpunkte kristallisieren sich bei dieser Recherchearbeit heraus. Zum einen versucht Rezendes, von Mark Ruffalo wuchtig und aufbrausend, mit grosser körperlicher Präsenz gespielt, Kontakt zu dem misstrauischen, abweisenden Anwalt Mitchell Garabedian herzustellen, der allein 86 Opfer vertritt. Und dann ist da noch Walter Robinson selbst, der einen befreundeten Anwalt um Hilfe bitten will. Und feststellen muss, dass der eine ganz eigene Agenda betreibt.
Eine wahre Geschichte, wie gesagt – was hier nicht, wie so oft beabsichtigt, als Qualitätsurteil gemeint ist, sondern als Fakt. 2003 hatte die Redaktion des «Boston Globe» den Pulitzer-Preis erhalten, weil sie detailliert den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche aufdeckte, nicht nur in Boston, wo sich die angenommenen 13 Fälle rasch auf 87 summierten, sondern in ganz Massachusetts. Keine Einzelfälle also, sondern ein gross angelegtes Komplott, von dem Kardinäle wussten und das sie darum zu vertuschen suchten. Nicht die Polizei, sondern Journalisten haben es aufgedeckt. Einmal mehr klopfen Journalisten im Hollywoodkino den Herrschenden auf die Finger und erweisen sich als Anwälte der Demokratie, und nicht von ungefähr verweisen zahlreiche Kritiker seit der Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig auf die Parallele zu Alan J. Pakulas All the President’s Men (1976), dieser «Apotheose des Reporterfilms» (Fritz Göttler). So wie Bob Woodward und Carl Bernstein, dargestellt von Robert Redford und Dustin Hoffman, der Aufdeckung des Watergate-Skandals unaufgeregt Schritt für Schritt näherkommen, zerren auch die Spotlight-Redakteure immer mehr Fakten ans Licht, die das ganze Ausmass des Skandals verdeutlichen. Sie sind gut, ehrlich, unbestechlich. So werden sie zu Helden des investigativen Journalismus, zu Kreuzrittern der Moderne, zu Verteidigern der Wahrheit, die auf die Macht der Worte setzen. Allerdings verklärt McCarthy sie nicht. Denn 25 Jahre vor den Ereignissen, die der Film erzählt, hatte der Boston Globe schon einmal über einen Missbrauchsfall in der katholischen Kirche berichtet – und die Geschichte nicht weiterverfolgt. Daher also rührt Garabedians Misstrauen, und auch Robinsons private Involvierung zeigt: Die Dinge sind nie so einfach, wie sie scheinen.