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Spectre 007 szenen 02 james bond daniel craig

Spectre

Eigentlich ist sich James Bond ja Krisen gewohnt, sie gehören in seinem Metier zum Alltag. Die Art, wie diese Krisen bewältigt werden, ist dabei streng ritualisiert: Commander Bond betritt das Büro seines Vorgesetzten M, wo ihm dieser ein Dossier aushändigt. Es folgt ein Besuch bei Q, der ihn mit den neusten Gadgets versieht, und dann steht der Rettung der Welt nichts mehr im Weg. Im 21. Jahrhundert hat Bond aber mit ganz anderen Krisen zu kämpfen – mit hausgemachten.

Text: Simon Spiegel / 05. Nov. 2015

Eigentlich ist sich James Bond ja Krisen gewohnt, sie gehören in seinem Metier zum Alltag, kommt der berühmteste Agent im Dienste Ihrer Majestät doch immer dann zum Einsatz, wenn die Welt kurz vor dem Abgrund steht. Die Art, wie diese Krisen bewältigt werden, ist dabei streng ritualisiert: Commander Bond betritt das Büro seines Vorgesetzten M, wo ihm dieser ein Dossier aushändigt. Es folgt ein Besuch bei Q, der ihn mit den neusten Gadgets versieht, und dann steht der Rettung der Welt nichts mehr im Weg.

Im 21. Jahrhundert hat Bond aber mit ganz anderen Krisen zu kämpfen – mit hausgemachten. Zwar gibt es nach wie vor einen Bösewicht, dieser rückt gegenüber den Schwierigkeiten am Arbeitsplatz aber immer mehr in den Hintergrund. Seit dem Neustart mit Daniel Craig in Casino Royale hat Bond kein Abenteuer bestritten, in dem er nicht mehr oder weniger deutlich gegen Order von oben verstossen oder das Agentengewerbe zumindest temporär ganz hinter sich gelassen hat.

Sicher: Bond hatte schon immer ein Autoritätsproblem und setzte sich auch in der Vergangenheit mal über Befehle hinweg, mittlerweile ist die offene Rebellion aber zur standard operating procedure geworden. Nicht zuletzt, weil die Welt der Geheimdienste längst von der allseits um sich greifenden Restrukturierungssucht heimgesucht worden ist. In Spectre droht der Doppel-Null-Abteilung die Schliessung, womit der Film ganz im Trend liegt. Sei es die Mission-Impossible-Reihe oder Carrie Mathison in Homeland – die eigentliche Bedrohung geht heute nicht mehr von Wahnsinnigen aus, welche die Welt unterjochen wollen, sondern von grauen Managern, die das Agentenhandwerk als reine Kosten-Nutzenrechnung verstehen. Vorbei die Zeiten, als M – in seinem Büro hinter einer gepolsterten Doppeltür der Inbegriff von Kontinuität und Solidität – noch Herr im Haus war und wusste, was er an seinem besten Mann hatte. Der Patron alter Schule hat ausgedient, heute sind es Budgets und Sachzwänge, die über das Schicksal von Bond und Konsorten entscheiden. Dass man sich in dieser Situation selbst als Geheimagent nicht mehr mit seinem Arbeitgeber identifiziert und an Jobwechsel denkt, ist nicht weiter erstaunlich.

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Man kann das als Einzug von Realismus werten oder als bissigen Kommentar auf das grassierende Effizienzdenken im öffentlichen Dienst – das absurderweise meist zu mehr Bürokratie und weniger Produktivität führt – begrüssen, filmisch befriedigend ist es freilich nicht. Es nervt vielmehr, dass Actionhelden heute bald mehr Zeit damit verbringen, sich mit bürokratischen Hürden herumzuschlagen, anstatt sich dem Niederringen finsterer Gestalten zu widmen.

Optimisten hofften, dass mit Spectre ein anderer Wind Einzug halten würde, denn die Voraussetzungen für einen Bond-Film vom alten Schlag waren so gut wie schon lange nicht mehr. Nach einem über drei Filme hinweg inszenierten Neuanfang der Reihe war am Ende von Skyfall endlich wieder die althergebrachte James-Bond-Welt installiert: Ralph Fiennes hatte sich als M in einem standesgemässen Büro eingerichtet, und im Vorzimmer hatte Naomie Harris als neue Moneypenny Platz genommen – sogar ein Kleiderständer, auf den Bond dereinst seinen Hut werfen konnte, stand bereit. Und dann natürlich der Titel des Films. Während mehr als 30 Jahren hatten komplizierte Rechtsstreitigkeiten verhindert, dass Bond gegen seinen Erzgegner Ernst Stavro Blofeld und dessen Geheimorganisation Spectre antreten konnte, nun aber waren alle Probleme ausgeräumt, stand einem erneuten Kampf der Titanen nichts mehr im Weg.

Der Einstieg von Spectre lässt auch einiges erhoffen. Szenerie ist der Tag der Toten in Mexico City, wo Bond mit einer Totenkopfmaske unterwegs ist – eine witzige Reminiszenz an den Voodoo-Priester Baron Samedi aus Live and Let Die. Bond ist hier, um einen Mann umzulegen, was nicht ganz ohne Nebengeräusche von statten geht und schliesslich in eine schwindelerregende Schlägerei in einem wild rotierenden Helikopter mündet.

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Nach diesem vielversprechenden Auftakt folgt mit der Titelsequenz bereits der erste Dämpfer; nicht wegen der visuellen Gestaltung, die durchaus gelungen ist, und auch nicht wegen Sam Smiths Titelsong, der deutlich weniger gelungen ist, sondern weil hier in einer für die Serie höchst unüblichen Weise explizit auf alle früheren Craig-Bonds Bezug genommen wird. Damit führt Spectre den unseligen Ansatz der drei vorangegangenen Filme fort, die Bond-Abenteuer als grosses Kontinuum darzustellen. Gegenüber der ursprünglichen Konzeption von 007 stellt das einen folgenreichen Bruch dar. Der Bond von Connery und Moore war eine Figur ohne Vergangenheit, die jeweils auftrat, um die freie Welt zu retten, und dann wieder verschwand. Eine Maske ohne Psychologie und ohne Leben ausserhalb seiner Einsätze. Folglich standen die Filme mit Ausnahme des einen oder anderen humoristischen Verweises auch nicht in Beziehung zueinander und konnte die Figur nicht altern. Der klassische Bond war unsterblich.

Ganz anders der Bond von Craig, dem mit jedem Film mehr biografischer Ballast aufgehalst wird. Erfuhren wir in Skyfall, wer die Eltern von 007 waren, entpuppt sich der von Christoph Waltz dargestellte Oberbösewicht Franz Oberhauser alias Ernst Stavro Blofeld in Spectre als Bonds Ziehbruder. Aus dem eiskalten Profi, der für Königin und Vaterland in den Kampf zog, ist ein komplexbeladener Problemhaufen geworden, der vor allem damit beschäftigt ist, seinen Familienroman aufzuarbeiten.

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Und dann dieser Blofeld: Er trägt zwar eine Weste mit Neru-Kragen, liebkost eine weisse Perserkatze und residiert in einem Krater – aber seine Pläne! Anstatt etwas wirklich Exaltiertes auszuhecken – wie wäre es zum Beispiel damit, den Mond in die Luft zu sprengen? –, ist dieser Blofeld lediglich eine grosse Datenkrake (was immerhin zum Tintenfischlogo von Spectre passt). Hollywood ist schon seit einiger Zeit von Big Data fasziniert und wartet regelmässig mit Schurken auf, die per Computer die Welt beherrschen wollen. Auch das mag irgendwie zeitgemäss sein, es ist aber höchst unsinnlich. Nicht nur lassen sich Datenbanken und Hacking schlecht visualisieren, sie sind vor allem komplett unsexy. Als grosse böse Cloud ist Spectre ungefähr so aufregend wie Google oder Facebook. Christoph Waltz schaut man zwar immer gerne zu, aber diese Rolle wird sicher nicht als eine seiner grossen in Erinnerung bleiben. Sein Fehler ist das nicht. Wie soll jemand auch dämonisch wirken, wenn er am Ende bloss die etwas fiesere Version von Mark Zuckerberg ist?

Diese neue Biederkeit, in der Bond zu einem verkrachten Beamten und Blofeld zum Datenanalysten degradiert werden, ist das Eine. Das Andere ist, dass der beträchtliche biografische Aufwand, den das Drehbuch betreibt, zu nichts führt. Als endlich geklärt ist, wie Held und Bösewicht zueinanderstehen, ist der Effekt regelrecht antiklimaktisch. Wirklich erstaunlich ist das nicht, wenn man sich vor Augen führt, was ursprünglich den Reiz von James Bond ausgemacht hat. Bond ist ein Übermensch, der all das kann, was uns langweiligen Normalsterblichen verwehrt ist. Obwohl die Filme der Craig-Ära mit ihrer ständigen Psychologisierung etwas Anderes behaupten, ist uns Bond als Person aber schlicht egal.

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Die Konzentration auf Bonds Innenleben erweist sich deshalb als Fehler. Und auch die von Léa Seydoux gespielte Figur der Madeleine Swann, die als Tochter von Mister White, dem Bösewicht der vorangegangenen Filme, den Weg zu Blofeld weist – wobei hier einige Dinge nicht so recht aufgehen –, ist nicht dazu geeignet, daran etwas zu ändern. Die Highlights des Films sind nicht die Momente, in denen Bond, Swann und Blofeld interagieren, sondern die Actionszenen. Besonders sehenswert: eine Autoverfolgungsjagd am Tiber entlang, eine Flugzeug-Schlittelpartie sowie eine Schlägerei in einem Zug. Letztere spielt offensichtlich auf From Russia With Love an, wie ohnehin der ganze Film vollgestopft ist mit Referenzen an die reiche Bond-Tradition. Alles Zitieren kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der fast zweieinhalbstündige Film auf die Dauer eher langweilig ist. Der Grund hierfür ist offensichtlich: Spectre konzentriert sich nicht auf das, was Bond tut, sondern auf das, was er fühlt. Das aber interessiert niemanden.

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