«Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz dumm wird, womit soll man’s salzen? Es ist hinfort zu nichts nütze, denn das man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten.» (Matthäus 5,13)
Der Film beginnt mit der Totalen einer brasilianischen Goldmine, die sich beim Annähern der Kamera in einen Höllenschlund verwandelt. Auf engstem Raum graben unzählige erbarmungswürdige Gestalten, einander ausgeliefert, nach dem Reichtum versprechenden Metall. Über Angst einflössende Leitern werden aus der riesigen Mulde Erdhaufen nach oben transportiert. Möge keiner stolpern, er würde die Menge in die Tiefe reissen. In diese Hölle, die sich Menschen aller Bildungsgrade aus Gier oder Not geschaffen haben, wagte sich auch der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado, der, 1944 geboren, seit 1973 in Paris für die Bildagenturen Sygma, Gamma und Magnum Photos arbeitete und in über hundert Ländern die Greuel dieser Welt dokumentierte. Bis er, um nicht einer ständigen Depression zu verfallen, mit seiner Frau das Projekt «Genesis» in Angriff nahm und die Schönheiten der Tiere und Landschaften, die Lebensfreude kleiner noch urwüchsiger menschlicher Gemeinschaften als eine Gegenwelt und Möglichkeit der eigenen Gesundung dokumentierte. Zudem ist er dabei, ausgehend von der Renaturierung der Farm seines Vaters, die Ursprünglichkeit des Regenwalds in Teilen wiederherzustellen.
Wim Wenders lässt den berühmten Fotografen die Bilder menschlicher Abgründe des Elends selbst kommentieren, was zumindest den Effekt hat, dass das Leid der Menschen, das in den Fotobüchern ein ästhetisierendes Faszinosum bekommt, dem Voyeurismus entrissen wird: «Sebastião sitzt vor einem Bildschirm mit seinen Fotografien, während er meine Fragen darüber beantwortet. Die Kamera steht hinter einem halbdurchlässigen Spiegel direkt hinter dem Bildschirm und filmt ihn sozusagen durch seine Fotografien hindurch. Dadurch schaut Sebastião gleichzeitig auf seine Fotografien und blickt den Zuschauer direkt an. Ihm zuzusehen und zuzuhören schafft eine für den Zuschauer sehr intime Situation und Atmosphäre.»
Salgados Aufnahmen von Menschen aus der Sahelzone, die am Hunger zugrunde gehen, oder die Bilder von den Auswirkungen des Völkermords in Ruanda brauchen ein Gegenbild, um nicht die Zerstörung des Menschseins als ein Triebmittel des Lebens zu identifizieren. «Nach Jahren der Arbeit in Flüchtlingslagern hatte ich so viel Tod gesehen, dass ich das Gefühl hatte, ich würde selbst sterben.» Also wandelt sich das Porträt, und Wenders zeigt die aktuellen Bemühungen Salgados im Projekt «Genesis», bei dem ihn der Sohn, der Dokumentarfilmer Juliano Ribeiro Salgado, mit der Kamera begleitete. Julianos positive Sicht auf seinen Vater hat Wenders wie einen zweiten und hoffnungsfrohen Teil an die niederschmetternden Einsichten des ersten Teils angeschlossen, was dem Film ein versöhnliches Weltbild geben soll. Der Film bekommt dadurch eine etwas predigthafte Ausstrahlung: die Rettung des menschlichen Lebens durch den Blick auf die Natur, das Erkennen ihres Anreizes zum Leben. Dieser euphorisierende dramaturgische Wandel hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck, denn die Bilder von den gequälten Menschen mögen einem nicht aus dem Kopf gehen. Sie verwandeln sich nicht durch das Engagement für die Natur. Der Ausblick auf die natürlich existierenden Schönheiten der Tier- und Pflanzenwelt, die scheinbar paradiesische Lebensweise von Residuen indigener Völker taucht die Person Salgado in ein erlösendes Licht und lässt die fotografische Dokumentation des Schicksals der Elenden dieser Welt zur Voraussetzung seiner sicherlich positiv zu beurteilenden Aktivitäten geraten.